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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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einmal in der Hoffnung auf, ihrem Verfolger zu entkommen, doch dieser hatte aufgeholt unc bekam den Saum ihres Rockes zu fassen. Er zerrte sie zu Boden. Vor Schreck ließ Dana den gestohlenen Beutel fallen. Instinktiv schützte sie ihr Gesicht in Erwartung von Schlägen mit den Armen. Wenn sie gewusst hätte, dass der alte Mann sie bis hierher verfolgen würde, hätte sie den Beutel niemals genommen.
    Danas Heulen und Schluchzen übertönte das Gemecker des Bauern, der seine Kohlköpfe von der Straße sammelte. Jemand packte sie an den Schultern und rüttelte sie, die Tränen in ihren Augen verschleierten ihre Sicht.
    »Was hast du dir dabei gedacht?« Das Rütteln wurde heftiger.
    »Ich hatte Hunger, ich brauchte Geld. Ich wollte Sie nicht bestehlen«, schluchzte Dana und schnappte nach Luft.
    »Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du in mein Revier eingedrungen bist.«
    Der Mann schleifte sie am Arm hinter sich her bis hinter einen mächtigen Baum, der am Straßenrand stand. Dana wischte sich mit dem Handrücken über die verheulten Augen. Ein Schreck fuhr ihr durch die Glieder. Dies war gar nicht der Mann, den sie bestohlen hatte. Es war der kleine hagere Mann, der neben dem Brunnen gestanden hatte. Seine dunklen fettigen Haare umrahmten sein Gesicht wie ein Vorhang. Tiefe Falten zogen sich um seine Mundwinkel und die Augen.
    »Sind sie ein Polizist?« Danas Herz begann erneut, heftig zu hämmern. Ihre Beine zitterten, sie musste sich mit den Händen am Baumstamm abstützen, um einen Sturz zu vermeiden.
    Der Mann runzelte die Stirn. »Polizist?« Er lachte. »Das wäre das Letzte, was ich machen wollte.«
    Er hatte indes aufgehört, an Dana herum zu zerren und sie zu schütteln. Vermutlich bemerkte er, wie schwach sie war. Noch eine Flucht stand für sie außer Frage.
    »Nun ja, in meinem Metier bin ich vielleicht tatsächlich so etwas wie ein Polizist«, fügte er hinzu. An seinem rechten Arm baumelte der gestohlene Beutel. »Niemand darf in meinem Revier etwas stehlen, und schon gar nicht von meinen eigenen Opfern. Du bist mir zuvorgekommen.«
    Nur langsam lichtete sich der Nebel, der Danas Verstand einhüllte. Dann hatte der Mann seinerseits beabsichtigt, dem alten Mann seinen Beutel zu stehlen? Dana öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Gedanken, die durch ihr Gehirn rasten, wollten sich nicht zu Worten formen lassen.
    »Wenn du schon stehlen musst, dann such dir ein anderes Viertel.« Der Mann spuckte neben sich auf den Boden. »Du hast Glück, dass ich mich schon wieder beruhigt habe, noch vor fünf Minuten war ich mir sicher, dass ich dich töten möchte.« Ein hämisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    »Ich… Es… Es tut mir leid. Ich habe das nicht gewusst.« Scham und Erleichterung durchfluteten Dana. Sie hatte mit Schlimmerem gerechnet. Sie fühlte sich elend und schlecht. Sie war eine Kriminelle, und noch dazu so ungeschickt, dass alles, was sie anfasste, gehörig in die Hose ging. Es war kaum möglich, noch tiefer zu sinken.
    »Ich nehme das hier mit, wenn du erlaubst.« Der Mann wedelte mit dem Lederbeutel. »Der alte Kerl hat nicht einmal mitbekommen, dass du mit seinem Eigentum davongerannt bist. Eigentlich müsste ich dich beglückwünschen. Hast wohl viel Erfahrung als Taschendiebin.«
    Dana schüttelte den Kopf. »Es ist nichts Ehrenwertes daran, wenn man auf Diebstahl angewiesen ist.«
    Der Mann zuckte nur die Achseln. Danas Blick fiel auf die Kette um seinen Hals. Ein großer Anhänger baumelte daran. Dana hatte dieses Schmuckstück schon einmal gesehen.
    »Was starrst du denn so auf die Flöte?«, blaffte der Kerl sie an. »Die habe ich ausnahmsweise nicht gestohlen, sondern auf ehrliche Weise eingetauscht.«
    »Woher haben Sie das?« Dana streckte ihre Finger nach dem Anhänger aus, aber der Mann schlug ihre Hand zur Seite und steckte den goldfarbenen Gegenstand hastig in den Ausschnitt seines Hemds.
    »Weshalb interessiert dich das? Das Stück ist einzigartig. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es zu Geld machen werde.«
    Es bestand kein Zweifel. Dieses kleine Instrument hatte einst Jil gehört. Am Tag ihres Verschwindens hatte Dana es bei ihr gesehen.
    Der Mann drehte sich um und entfernte sich einige Schritte. »Ich wünsche dir noch einen schönen Tag«, rief er Dana über die Schulter hinweg zu. »Und wehe, du machst mir noch einmal meine Beute streitig.«
    »Nein, halt! Warten Sie!«, rief Dana ihm hinterher. Er warf ihr einen fragenden Blick zu.

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