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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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leben wollen?
    Dana betätigte die Klinke des eisernen Tors. Es war verschlossen. Eine hohe Mauer, deren oberer Abschluss eiserne und wenig einladend anmutende Spieße bildeten, umgab die einst prächtige Villa. Dana lief ein Schauer über den Rücken. Hinter den hohen Fenstern des Hauses brannte kein Licht. Die Außenwand im obersten Geschoss war um die Fenster herum rußgeschwärzt, die Scheiben waren zerbrochen. Die Atmosphäre war gespenstisch.
    Es ist niemand zuhause, geh und vergiss deinen Plan , sagte ihre innere Stimme, als ihre Augen die große Messingglocke erblickten, die am oberen Ende des Tors angebracht war. Ein dünnes Seil hing vom Klöppel bis fast zum Boden herab.
    Dana strich sich mit den Händen durch die Haare und überprüfte den Sitz ihrer Kleidung, bevor sie all ihren Mut sammelte und einmal kräftig läutete. Das laute Geräusch hallte durch den Hof und von den Wänden der Villa wider. Angst und Nervosität ließen Danas Knie zittern. Insgeheim wünschte sie sich, es wäre niemand zuhause. Dann hätte sie zumindest nicht behaupten können, es nicht versucht zu haben. Doch nur einen Augenblick später öffnete sich eine Hälfte der riesigen Flügeltür mit einem lauten Knarren. Ein älterer Mann mit einem Schlapphut und einer Latzhose steckte den Kopf heraus.
    »Verschwindet, ihr dummen Gören!«, rief er. »Ärgert endlich jemand anderen.« Er hustete und spuckte aus. Dann fiel sein Blick auf Dana, die wie ein verschüchtertes kleines Mädchen die Hände auf dem Rücken verschränkt hatte und von einem Fuß auf den anderen trat.
    Der Alte stieß ein mürrisches Knurren aus. »Na wen haben wir denn da? Was willst du? Ich kaufe nichts.« Er humpelte die Vordertreppe hinunter und kam auf Dana zu.
    »Ich möchte Sie nicht belästigen.« Dana wich instinktiv einen Schritt zurück, als der Alte bis ans Tor heran kam. Er verströmte einen muffigen Geruch nach ungewaschener Haut.
    »Mir hat jemand den Tipp gegeben, dass Sie Überfahrten nach Falcon’s Eye organisieren.« Dana spielte nervös mit ihren Haaren. Wenn die Hoffnung, Jil zu finden, nicht so übermächtig gewesen wäre, hätte es Dana niemals gewagt, sich nach einer solch unvorstellbar kriminellen Handlung zu erkundigen. Einen Beutel zu stehlen war eine Sache, aber eine Fahrt auf die Insel war ein anderes Kaliber. Dann stieß für einen kurzen Moment das Bild ihres toten Vaters, wie er blutend auf dem Stubenboden lag, wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Die Szene war für sie unweigerlich mit dem Wort Mord verknüft. Dana schluckte. Nichts, was sie jetzt noch tat, konnte schlimmer sein als diese Sünde.
    Der alte Mann umfasste die Verstrebungen des Tors mit beiden Händen, reckte den Kopf nach vorn und verengte die Augen zu Schlitzen, als müsste er sich anstrengen, Danas Gesicht zu erkennen. Seine Augen waren von roten Adern durchzogen.
    »Wer hat dir diesen Tipp gegeben?«, fragte er und senkte dabei die Stimme.
    »Ich kenne seinen Namen nicht«, log Dana. Irgendetwas ließ sie vermuten, dass Geri in der kriminellen Szene von Haven nicht gerne gesehen war.
    »Nun, ich nehme tatsächlich manchmal Menschen auf meinem Kutter mit. Sie zahlen gut. Ich bin alt, ich fange schon lange nicht mehr genügend Fische, um damit über die Runden zu kommen.«
    Seine trüben Augen zuckten nervös, dann griff er in seine Hosentasche, zog einen Schlüssel heraus und öffnete das Schloss des Tores. Knarrend schwang es auf.
    »Wollen wir uns nicht drinnen weiter darüber unterhalten?«, fragte er. »Ich möchte nicht belauscht werden.«
    Dana zögerte. Alles in ihr sträubte sich dagegen, dieses gespenstische Haus zu betreten, und noch dazu mit einem ihr völlig fremden Mann. Andererseits würde sie niemals ihr Ziel erreichen, wenn sie nicht endlich ihre Ängste ablegte. Der Mann war alt, konnte kaum noch geradeaus laufen. Was hatte sie von ihm zu befürchten?
    Der Mann schien ihre Unentschlossenheit zu spüren. »Entweder kommst du jetzt herein oder du gehst und stiehlst mir nicht länger meine kostbare Zeit«, sagte er. »Ich beiße nicht und noch dazu lebe ich ganz allein in diesem großen Haus.«
    Dana schluckte ihre Bedenken hinunter und trat auf den Hof. Hohe Brombeergebüsche wucherten im Vorgarten, sie verdeckten größtenteils die Fenster im unteren Geschoss. Die Fensterscheiben in den darüber liegenden Etagen waren staubblind oder fehlten komplett, Risse durchzogen die komplette Fassade. Dana folgte dem Alten über die Treppe durch die

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