Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
große Eingangstür. Der Geruch von Fisch schlug ihr entgegen. Es roch, als wäre für einen langen Zeitraum nicht gelüftet worden.
»Ich heiße Argus«, sagte der Mann, als er Dana in einen großen Raum mit hoher Decke führte. Es musste einmal die Stube dieser luxuriösen Villa gewesen sein. In einer Ecke stand ein gewaltiger Kachelofen, doch das Feuer darin brannte nicht.
»Ich heiße Dana.«
Argus deutete auf einen alten fleckigen Sessel. Dana setzte sich, obwohl der Ekel vor dem löchrigen und fleckigen Bezug Übelkeit in ihr hervorrief. Argus selbst nahm auf einem zerrissenen Sofa gegenüber Platz.
In dem Zimmer, in dem sich offensichtlich Argus komplettes Privatleben abspielte, herrschte das blanke Chaos. Schmutziges Geschirr stapelte sich auf dem Tisch vor dem Kamin, der Boden war bedeckt mit Mäusekot, Gerümpel, Kleidungsstücken und allerhand undefinierbarem Schmutz.
Argus folgte Danas entsetzten Blicken mit den Augen und lachte. »Ich habe nicht aufgeräumt. Es besuchen mich nur selten Menschen in meinem Haus.«
Dana bemühte sich, ihren Ekel zu unterdrücken und ein freundliches Gesicht aufzusetzen. »Argus, wann fahren Sie das nächste Mal nach Falcon’s Eye?«, fragte sie.
»Morgen. Meine alte Nussschale liegt im Hafen vor Anker. Ich habe gültige Einreisepapiere. Ich kann sie dir zeigen, wenn du willst. Ich darf jederzeit übersetzen.« Stolz klopfte er sich auf die Brust und offenbarte ein beinahe zahnloses Grinsen.
Dana räusperte und senkte den Blick. »Argus, ich möchte ganz offen zu Ihnen sprechen. Ich suche nach meiner Schwester, sie ist seit Wochen verschwunden. Angeblich ist sie heute Morgen nach Falcon’s Eye gefahren. Ich muss sie unbedingt finden, aber ich habe kein Geld, um für die Überfahrt zu bezahlen.«
Argus knurrte missmutig und schwieg für eine Weile. Dana fühlte sich unwohl. Sie wollte dieses abscheuliche Haus verlassen, und das so schnell wie möglich. Doch sie zwang sich, die unangenehme Stille noch eine Weile auszuhalten. Dies war ihre einzige Chance.
Dann räusperte Argus sich endlich. »Nun ja, wenn ich dich richtig verstehe, verlangst du also von mir, dich ganz umsonst rüber zu bringen und meinen Kopf dafür zu riskieren?« Argus runzelte die Stirn.
»Ich könnte es verstehen, wenn Sie ablehnen. Sagen Sie mir, wie viel Geld Sie verlangen, und ich werde es beschaffen. Es ist mir wirklich wichtig.«
Argus machte eine beschwichtigende Geste. »Nicht so hastig, mein Kind. Noch habe ich nicht gesagt, dass ich es nicht tun werde.«
Dana spürte Hoffnung in sich aufkeimen, aber sie zwang sich zur Ruhe.
»Du könntest mir vielleicht einen anderen Dienst dafür erweisen. Dann nehme ich dich direkt morgen mit und du musst nicht mehr länger warten.« Ein verschlagenes Grinsen machte sich auf seinem faltigen Gesicht breit. »Ich bin einsam, und seit Jahren hat mir keine Frau mehr Gesellschaft geleistet. Wenn du heute Nacht hier bleibst, brechen wir morgen noch vor Sonnenaufgang auf, das verspreche ich dir.«
Dana benötigte mehrere Sekunden, um die Tragweite seiner Bitte zu begreifen. Er hatte sie doch tatsächlich darum gebeten, mit ihm die ganze Nacht in diesem Horrorhaus zu verbringen. Dana spürte, wie ihre Hände feucht wurden und ihr der Schweiß auf die Stirn trat. Argus saß ihr mit einem erwartungsvollen Gesicht direkt gegenüber und wartete auf eine Antwort, aber sein Wunsch war so ungeheuerlich, dass Dana ihm am liebsten das lüsterne Lächeln aus dem Gesicht gewischt hätte.
Wenn ich jetzt aufstehe und gehe, ist die Chance vielleicht für immer vertan .
»Können wir nicht doch über Geld sprechen?«, fragte Dana mit leiser Stimme. »Ich beschaffe es, egal wie.«
»Nun, das bleibt dir überlassen. Aber wie möchtest du an Geld kommen? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie dich erwischen, wenn du es stehlen möchtest. Und noch größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie deine Schwester schon sehr bald erwischen, wenn sie sich tatsächlich auf Falcon’s Eye herumtreibt. Ich mache dir ein weiteres Angebot: Wenn du deine Schwester finden solltest, nehme ich euch beide kostenlos wieder mit zurück. Aber dazu musst du heute Nacht hier bleiben.«
In diesem Moment wäre Dana am liebsten gestorben. Sie zögerte mit der Antwort, auch wenn sie sich innerlich schon lange entschieden hatte.
»Ich werde es versuchen. Aber eines möchte ich klarstellen: ich bekomme einen eigenen Platz zum Schlafen, und wenn es draußen im Vorgarten
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