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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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Niemals würde sie es schaffen, auf diese Weise an Geld zu gelangen. Doch wenn die Verzweiflung und der Hunger erst wieder die Oberhand erlangten, würden sie sie sicherlich zu Dummheiten verleiten.
    »Ich möchte tot sein. Ich kann das hier einfach nicht«, schluchzte Dana in ihre Handflächen. Wenn die Nacht über Haven erst einmal hereinbrach, würde sich noch ein weiteres Problem ergeben: wo sollte sie schlafen? Die Straßen von Haven waren gefährlich. Wahrscheinlich würde Dana früher oder später zu ihrem Elternhaus zurückkehren wie ein geprügelter Hund. Doch würde sie niemals ruhig schlafen können mit dem Wissen, eine Leiche im Keller versteckt zu haben. Vielleicht hatten die Hunde der Nachbarn bereits den Aasgeruch gewittert, vielleicht war bereits ein Kopfgeld auf Dana ausgesetzt. Danas Gedanken überschlugen sich. Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Die Passanten, die an ihr vorübergingen, starrten sie an, drehten sich nach ihr um. Dana las das Wort Mörder von ihren Lippen ab. Überall standen Menschen, die mit Fingern auf sie zeigten. Kalter Schweiß rann Danas Stirn hinab. Sie verlor den Verstand.
    Die Melodie eines Kinderliedes, das ihr ihre Mutter vorgesungen hatte, als Dana noch ein kleines Mädchen war, drängte sich in ihr Bewusstsein. Es war ein fröhliches Lied. Weshalb sie ausgerechnet jetzt daran dachte, konnte sich Dana nicht erklären. Dann begriff sie, dass tatsächlich von irgendwoher Musik spielte. Sie schüttelte den Kopf, als müsste sie sich von dem Nebel befreien, der ihre Gedanken einhüllte. Die schmale Gasse lag vor ihr, niemand drehte sich mehr zu ihr um oder zeigte mit Fingern auf sie. Die Realität war zurückgekehrt.
    Die Musik kam aus einer Seitenstraße, Dana folgte den stetig lauter werdenden Tönen bis zu ihrer Quelle. Vor einem Wirtshaus an einer Straßenecke saß ein bärtiger Mann mit krausen Haaren auf der Treppe und spielte Akkordeon. Seine Augen waren geöffnet, aber sein Blick war verklärt. Er war derart in seine Musik versunken, dass er nichts um sich herum wahrzunehmen schien. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Der hagere Mann war in einen fleckigen Anzug gekleidet, vor seinen Füßen lag ein Hut, in den gelegentlich einer der Passanten einen Penny warf. Dana beobachtete ihn fasziniert. Die Ruhe und Gelassenheit, die er ausstrahlte, wirkten beruhigend auf sie. Langsam näherte sie sich, bis sie direkt vor ihm stand. Sie wippte im Takt seines Liedes und hoffte, es würde niemals enden. Der Mann grinste sie an, es war ein so ehrliches und unvoreingenommenes Lachen, wie Dana es noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte.
    Als das Lied endete, stellte er sein Akkordeon neben sich ab und zwinkerte Dana zu. »Gefällt dir mein Lied, junge Dame?«
    »Es erinnert mich an meine Kindheit.«
    »Vielleicht möchtest du mich mit einer Spende unterstützen?«
    Dana fühlte sich peinlich berührt. Dieser Mann war so freundlich, dass es schmerzte, ihn enttäuschen zu müssen.
    »Ich habe leider überhaupt kein Geld«, sagte sie.
    Der Mann zuckte die Achseln, lächelte aber dabei. »Nun, so ist das Leben. Mal verliert man und mal gewinnen die anderen.« Er streckte Dana seine schlanke Hand hin. Zögerlich griff sie danach. Sein Händedruck war fest und warm.
    »Geld sagt nichts über den Reichtum eines Menschen aus«, fuhr er fort. »Ist es nicht viel mehr wert, jemandem ein Lächeln zu schenken, wenn es erwidert wird? Wir kennen von allem den Preis, aber von nichts mehr den Wert. Ich heiße Firio, und wie nennt man dich?«
    Einen Augenblick lang verschlug es Dana die Sprache. Dies war also der Mann, mit dem Jil einen Großteil ihrer Freizeit verbracht hatte. Er musste ihren verstörten Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er fügte hinzu: »Ist Firio denn wirklich ein so hässlicher Name, dass du mich so ansiehst?«
    »Nein, nein…«, stammelte sie, »ich war nur in Gedanken. Ich heiße Dana.«
    Firio neigte den Kopf abwechselnd zu beiden Seiten wie ein Hund, der der Stimme seines Herrn lauschte. »Du musst Jils Schwester sein, stimmt’s?«
    »Ja, das bin ich. Wo ist Jil? Hast du sie gesehen?« Die Worte schossen aus Dana heraus wie eine Pistolenkugel.
    »Sicher treibt sie sich wieder irgendwo in der Stadt herum«, sagte Firio.
    »Jil ist seit Wochen nicht mehr nach Hause gekommen.« Dana atmete tief ein, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
    Der Musiker runzelte die Stirn. »So? Das wundert mich, sie ist doch eine pflichtbewusste junge Dame. Ich habe

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