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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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ihn.
    »Weihnachtseinkäufe«, bemerkte er.
    »Ja. Drei ... vier ... fünf ...« Will drückte die Pakete gegen die Brust und hielt sich an der Haltestange des schwankenden Busses fest. »Ich hab jetzt alles«, sagte er. »War auch Zeit.«
    »Ich wünschte, ich könnte das auch sagen«, sagte der Schaffner, »und dabei ist morgen Heiligabend.«
    Der Bus hielt und der Schaffner half Will beim Aussteigen. »Fröhliche Weihnachten, Junge«, sagte er.
    Sie kannten einander, weil Will mit dem Bus zur Schule fuhr.
    »Fröhliche Weihnachten«, sagte Will. Und ohne sich zu besinnen, rief er ihm, als der Bus sich in Bewegung setzte, zu: »Am Weihnachtstag bekommen Sie Ihr warmes Wetter.«
    Der Schaffner zeigte grinsend seine weißen Zähne: »Du wirst dafür sorgen, was?«, rief er zurück.
    Vielleicht könnte ich es, dachte Will, während er über die Hauptstraße auf die Huntercombe Lane zuging.
Vielleicht könnte ich es.
    Die letzten beiden Tage waren für Will, trotz der Erinnerung an das, was geschehen war, friedliche Tage gewesen. Er hatte einen fröhlichen Geburtstag verlebt, die Familienfeier war so geräuschvoll gewesen, dass er am Abend ins Bett gefallen und fast ohne einen Gedanken an die Finsternis eingeschlafen war. Den Tag danach hatten er und seine Brüder mit Schneeballschlachten und improvisierten Schlittenfahrten auf der abfallenden Wiese hinter dem Haus zugebracht.
    Es waren graue Tage, der Himmel schwer von Schnee, der aber noch nicht fiel. Heilige Tage. Außer den Lieferwagen des Milchmanns und des Bäckers kam kaum ein Wagen die Straße entlang. Und die Krähen hielten sich still, nur die eine oder andere kreiste manchmal über dem Wäldchen.
    Will stellte fest, dass die Tiere keine Angst mehr vor ihm hatten. Sie schienen eher anhänglicher als zuvor. Nur Raq, der ältere der Collies, der gern sein Kinn auf Wills Knie legte, zuckte manchmal vor ihm zurück, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Dann lief er eine Weile ruhelos im Zimmer umher, kam zurück und starrte fragend in Wills Gesicht, bevor er es sich wieder bequem machte. Will wusste nicht, was er davon halten sollte. Merriman würde es wissen; aber er konnte Merriman nicht erreichen.
    Der Ring mit den gekreuzten Balken an seinem Gürtel hatte sich seit dem Morgen, an dem er nach Hause gekommen war, immer warm angefühlt. Er schob jetzt beim Gehen die Hand unter die Jacke, um es nachzuprüfen. Der Ring war kalt. Will dachte, es käme sicher von der Kälte, die draußen herrschte. Er hatte den größten Teil des Nachmittags damit verbracht, in Slough Weihnachtsgeschenke einzukaufen; Slough war die nächstgelegene größere Stadt. Es war dies ein alljährliches Ritual, denn am Tag vor Heiligabend konnte er sicher sein, Geburtstagsgeld von verschiedenen Onkeln und Tanten zum Ausgeben zu haben. Aber in diesem Jahr war er zum ersten Mal allein gegangen. Er hatte es sehr genossen; wenn man allein war, konnte man viel besser überlegen. Das wichtigste Geschenk, das für Stephen — es war ein Buch über die Themse —, war schon vor langer Zeit gekauft und nach Kingston auf Jamaika geschickt worden. Sein Schiff war dort, in der Karibik, stationiert. Will musste einmal seinen Freund, den Busschaffner fragen, was Kingston für eine Stadt war, aber vielleicht konnte der Schaffner, weil er von Trinidad stammte, die anderen Inseln nicht leiden.
    Wieder fühlte er die leise Enttäuschung, wie schon oft in diesen beiden letzten Tagen, weil zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, in diesem Jahr kein Geburtstagsgeschenk von Stephen gekommen war. Und zum. hundertsten Mal schob er die Enttäuschung beiseite: Entweder war bei der Post etwas schief gegangen oder das Schiff war plötzlich in irgendeiner wichtigen Mission zu einer der anderen Inseln ausgelaufen. Stephen hatte immer an ihn gedacht. Stephen
konnte
ihn gar nicht vergessen.
    Will ging genau auf die untergehende Sonne zu. Zum ersten Mal seit seinem Geburtstagsmorgen hatte sie sich heute gezeigt. Sie strahlte rund und gold-orangen durch einen Spalt in den Wolken und überall in der Runde flammte die schneeig-silbrige Welt in kleinen goldenen Lichtern auf. In der Stadt war der Schnee ein grauer Matsch gewesen, hier war alles wieder schön.
    Will trottete vor sich hin. Er kam an Gartenmauern vorüber, an Bäumen und dann erreichte er die Einmündung eines kleinen Pfades, der kaum ein Weg zu nennen war und der allgemein das Landstreicherpfädchen genannt wurde. Er zweigte von der Hauptstraße

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