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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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ab, machte einige Biegungen und mündete schließlich nahe bei Stantons Haus in die Huntercombe Lane. Die Kinder benutzten ihn manchmal als Abkürzung. Will warf jetzt einen Blick den Pfad entlang und stellte fest, dass niemand ihn benutzt hatte, seit es geschneit hatte. Der Schnee lag dort unberührt, glatt und weiß und einladend, nur die Spuren von Vogelkrallen bildeten ein zartes Muster. Ein unerforschtes Gebiet. Will fand es unwiderstehlich.
    Er bog also in das Landstreicherpfädchen ein, stapfte mit Vergnügen durch den sauberen, leicht verharschten Schnee. Fast augenblicklich war die Sonne verschwunden, die dichten Bäume zwischen dem Pfad und den wenigen Häusern am Ende der Huntercombe Lane entzogen sie seinem Blick. Während er so durch den Schnee stapfte, drückte er seine Päckchen gegen die Brust und zählte sie noch einmal durch: das Messer für Robin, das Fensterleder für Paul; er reinigte damit seine Flöte; das Tagebuch für Mary, das Badesalz für Gwennie; die besonders feinen Filzstifte für Max. Seine anderen Geschenke hatte er schon früher gekauft und verpackt. Weihnachten hatte seine Schwierigkeiten, wenn man eins von neun Kindern war.
    Es war bald nicht mehr so spaßig, das Pfädchen entlangzugehen. Wills Fußgelenke schmerzten von der Anstrengung, sich einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Die Pakete waren lästig. Der rotgoldene Nachglanz der Sonne verblasste zu stumpfem Grau. Er hatte Hunger und fror.
    Zu seiner Rechten ragten hohe Bäume, Ulmen und einige Buchen. Auf der anderen Seite des Pfades lag ein Streifen Brachland; das wüste Gemisch aus welkem Unkraut und Strauchwerk war durch den Schnee in eine Mondlandschaft weicher weißer Hügel und schattiger Vertiefungen verwandelt worden. Überall lagen Zweige und kleine Äste herum, die unter dem Gewicht des Schnees abgebrochen waren. Genau vor sich sah Will einen schweren Ast, der quer über dem Pfad lag. Er spähte ängstlich nach oben: Die großen Ulmen hatten wohl noch manchen toten Ast, der nur darauf wartete, dass der Wind oder die Schneelast ihn krachend zu Boden schickte. Die richtige Zeit zum Brennholzsammeln, dachte er und plötzlich sah er voller Sehnsucht die tanzenden Flammen vor sich, die im Kamin der großen Halle loderten: das Feuer, das seine Welt verändert hatte, indem es auf sein Wort hin verschwunden war und sich dann gehorsam wieder entzündet hatte.
    Während er weiter durch den Schnee stapfte, kam ihm plötzlich eine übermütige Idee. Der Gedanke an das Feuer hatte ihn darauf gebracht. Er blieb stehen und grinste vor sich hin.
Dafür wirst du sorgen?
Nein, mein Freund, wahrscheinlich könnte ich dir keinen warmen Weihnachtstag bescheren, aber ich könnte es jetzt hier ein bisschen wärmer machen. Er richtete seinen Blick zuversichtlich auf den toten Ast, der vor ihm lag, und im sicheren Gefühl der Kraft, die in ihm war, sagte er leise und etwas mutwillig: »Brenne!« Und der gestürzte Ast da vor ihm im Schnee stand in Flammen. Vom dicken, verfaulten Astansatz bis in das kleinste Zweiglein brannte er lichterloh. Es zischte und aus dem Feuer stieg ein Lichtstrahl auf wie eine Säule. Kein Rauch war zu sehen, die Flammen brannten gleichmäßig. Zweige, die eigentlich hätten aufflammen, knistern und dann in sich zusammenfallen müssen, brannten ruhig weiter; als würden sie von innen her mit einem anderen Brennstoff gespeist.
    Will fühlte sich plötzlich allein, klein und bange; dies war kein gewöhnliches Feuer, man konnte es nicht mit gewöhnlichen Mitteln in Schranken halten. Es benahm sich gar nicht so wie das Feuer in dem Kamin. Er wusste nicht, was er machen sollte. Tief erschrocken richtete er alle seine Gedanken auf das Feuer und befahl ihm, wieder auszugehen, aber es brannte weiter, ebenso ruhig wie zuvor. Er wusste, dass er etwas Törichtes getan hatte, etwas Unziemliches, vielleicht etwas Gefährliches. Er blickte durch die Säule zitternden Glanzes nach oben und sah am grauen Himmel vier Krähen, die mit langsamem Flügelschlag kreisten.
    Oh, Merriman, dachte er unglücklich, wo bist du?
    Das Herz blieb ihm fast stehen, jemand hatte ihn von hinten gepackt, seine zappelnden Füße in eine Schneewehe gedrückt, ihm die Arme auf den Rücken gedreht.
    »Mach das Feuer aus«, sagte eine heisere, eindringliche Stimme an seinem Ohr.
    »Ich kann nicht«, sagte Will. »Ehrlich. Ich hab's versucht, ich kann nicht.«
    Der Mann fluchte und murmelte seltsame Worte und plötzlich wusste Will, wer es war. Sein

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