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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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die Neuankömmlinge eine kleine Erfrischung zu sich nehmen«, sagte jemand. Ein kleiner Mann, nicht viel größer als Will. Er hielt ihm ein Glas hin. Will nahm es, blickte auf und sah vor sich ein hageres, lebhaftes Gesicht, beinahe dreieckig, mit tiefen Falten, aber nicht alt und mit überraschend scharfen Augen, die ihn sonderbar ansahen, irgendwie in ihn hineinsahen. Es war ein beunruhigendes Gesicht, hinter dem sich vieles verbarg. Aber der Mann hatte sich schon abgewandt, er drehte Will nun einen schlanken, von grünem Samt bedeckten Rücken zu und bot Merriman ein Glas.
    »Mylord«, sagte er dabei ehrfürchtig und verneigte sich.
    Merriman betrachtete ihn mit einem belustigten Zucken der Mundwinkel, sagte nichts, wartete. Bevor Will noch Zeit gehabt hatte, sich über den Gruß zu wundern, blinzelte der kleine Mann und schien sich zu besinnen wie ein Träumer, der plötzlich geweckt wird. Er lachte laut auf.
    »Ach nein«, sagte er prustend. »Hören Sie auf. Es ist eben die jahrelange Gewohnheit.«
    Merriman lachte liebenswürdig, hob das Glas und trank ihm zu, und da Will sich auf diesen seltsamen Wortwechsel keinen Reim machen konnte, trank er auch. Er wunderte sich über den unbekannten Geschmack; eigentlich gar kein Geschmack, eher ein Aufleuchten, ein Erklingen von Musik, etwas Wildes und Wundervolles, das alle seine Sinne zugleich erfüllte.
    »Was ist es?«
    Der kleine Mann drehte sich ihm lachend zu, alle Falten seines Gesichts liefen schräg nach oben. »Metheglyn war einmal der Name, der es am besten traf«, sagte er und nahm das leere Glas.
    Er blies hinein und sagte überraschend: »Die Augen eines Uralten können sehen«, dann hielt er ihm das Glas hin.
    Will starrte in den klaren Grund, konnte dort plötzlich eine Gruppe von Gestalten in braunen Kutten sehen, die das Getränk herstellten, das er eben getrunken hatte. Er blickte auf und merkte, dass der kleine Mann in dem grünen Rock ihn genau beobachtete. Der Ausdruck seines Gesichts war bestürzend, eine Mischung aus Neid und Genugtuung. Dann lächelte der Mann und riss ihm das Glas weg und Miss Greythorne rief sie zu sich; die weißen Lichtkugeln wurden matter und die Stimmen leiser. Will glaubte irgendwo im Hause noch Musik zu hören, aber er war nicht sicher.
    Miss Greythorne stand beim Feuer. Sie blickte zu Will hinunter, dann auf zu Merriman. Dann wandte sie sich ab und blickte auf die Wand. Sie starrte sie eine lange Zeit an. Die Täfelung, die Kaminumrandung und der Kaminaufsatz waren aus demselben goldfarbenen Holz geschnitzt: Alles war sehr einfach, ohne Kurven und Schnörkel, nur hier und da war in die viereckigen Füllungen eine einfache, vierblättrige Rose geschnitzt. Sie legte ihre Hand auf eine dieser geschnitzten Rosen an der oberen linken Ecke des Kamins und drückte auf den Mittelpunkt. Es klickte und unterhalb der Rose, auf der Höhe ihrer Taille öffnete sich ein dunkles Loch in der Täfelung.
    Will hatte keine der Füllungen beiseite gleiten sehen, das Loch war einfach plötzlich da. Und Miss Greythorne steckte ihre Hand hinein und zog einen kleinen kreisförmigen Gegenstand heraus.
    Es war das Ebenbild der beiden Zeichen, die er schon besaß, und seine Hand hatte sich schon wie von selbst schützend um die beiden gelegt. Im Raum herrschte tiefe Stille. Von draußen kam jetzt deutlich Musik herein, aber Will konnte nicht erkennen, was für eine Musik das war.
    Der Ring des neuen Zeichens war sehr dünn und dunkel, und während er hinsah, brach die eine der Speichen. Miss Greythorne reichte es Merriman und ein weiteres Stück zerfiel zu Staub. Will konnte jetzt sehen, dass es aus Holz bestand, aus rauem und zerschlissenem Holz, dessen Maserung man aber noch erkennen konnte.
    »Es ist hundert Jahre alt?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete sie. »Alle hundert Jahre wird es erneuert.«
    Will sagte unwillkürlich in den stillen Raum hinein: »Aber Holz wird doch viel älter. Ich habe welches im Britischen Museum gesehen. Stücke von einem alten Boot, das sie an der Themse ausgegraben haben. Das war
tausende
von Jahren alt.«
    »Quercus britannicus«,
sagte Merriman streng, er hörte sich an wie ein ärgerlicher Professor. »Eiche. Die Boote, von denen du sprichst, waren aus Eiche. Und die Eichenpfähle, auf denen die gegenwärtige Kathedrale von Winchester steht, wurden vor mehr als neunhundert Jahren in den Boden gesenkt und sind heute so fest wie damals. Oh ja, Eiche überdauert eine lange Zeit, Will Stanton, und es wird der Tag

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