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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Haus zerstörte. Das war dreißig Jahre her. Sie hatte immer jedem ein silbernes Sixpence-Stück gegeben und das tat sie immer noch, ohne sich um die Änderung der Währung zu kümmern.
    »Ohne Sixpence-Stücke wäre es kein Weihnachten«, sagte Mrs. Horniman. »Ich hab mir einen guten Vorrat zugelegt, bevor sie uns die Dezimalzahlen beschert haben. So kann ich es Weihnachten halten wie immer, ihr Schätzchen, und ich denke, mein Vorrat reicht, bis ich im kühlen Grab liege und ihr für jemand anderen an dieser Tür singt. Fröhliche Weihnachten!«
    Und dann kamen sie zum Schloss — die letzte Station vor dem Nachhausegehen.
Hier kommen wir singend im knospenden Laub, so grün,

Hier kommen wir springend, so heiter anzusehn...
    Sie begannen bei Miss Greythorne immer mit dem alten Weihnachtslied. Diesmal ist das mit dem grünen Laub noch unpassender als sonst, dachte Will. Das Lied klang klar durch die kalte Luft und beim letzten Vers erhoben Will und James ihre Stimmen zu einem glockenreinen Sopran, was sie nicht immer taten, weil es so viel Atem kostete.
Guter Herr und gute Frau, sitzet Ihr warm beim Feuerschein,
Denkt an uns arme Kinder, wir wandern in Ödnis allein...
    Robin zog am Strang der schweren Metallglocke, deren tiefer Klang Will immer mit einem geheimen Schrecken erfüllte, und während sie wie auf einer Spirale die hohen Töne des letzten Verses hinaufkletterten, öffnete sich die große Tür.
    Auf der Schwelle stand Miss Greythornes Butler in seinem Frack, den er immer am Weihnachtsabend trug. Er hieß Bates, ein großer magerer, mürrischer Mann, den man oft dabei beobachten konnte, wie er dem einzigen bejahrten Gärtner im Gemüsegarten half oder wie er mit Mrs. Pettigrew in der Post über seine Arthritis sprach.
Lieb und Freud sein bei euch alle Tage
Und zieren euer Festgelage...
    Der Butler lächelte höflich und nickte ihnen zu, dann hielt er ihnen die Tür weit auf und Will hätte beinahe seinen letzten hohen Ton verschluckt, denn das war nicht Bates, es war Merriman.
    Das Lied war zu Ende, die Sänger entspannten sich, die Füße scharrten im Schnee.
    »Entzückend«, sagte Merriman feierlich und ließ einen unpersönlichen Blick über sie schweifen. Hinter seinem Rücken hörte man Miss Greythornes herrische Stimme: »Holen Sie sie herein! Holen Sie sie herein! Lassen Sie sie nicht vor der Tür warten!«
    Sie saß in der weiträumigen Eingangshalle in demselben hochlehnigen Stuhl wie jedes Weihnachten. Schon seit vielen Jahren konnte sie nicht mehr gehen, seit einem Unfall in jungen Jahren, wie man im Dorf erzählte. Angeblich war ihr Pferd gestürzt und hatte sich auf sie gewälzt. Aber sie weigerte sich standhaft, sich je in einem Rollstuhl sehen zu lassen. Mit ihrem schmalen Gesicht und den hellen Augen, dem grauen Haar, das sie in einer Art Knoten oben auf dem Kopf zusammengedreht trug, war sie in Huntercombe eine zutiefst geheimnisvolle Erscheinung.
    »Wie geht's deiner Mutter?«, fragte Miss Greythorne Paul. »Und deinem Vater?«
    »Sehr gut, vielen Dank, Miss Greythorne.«
    »Und ihr freut euch auf Weihnachten?«
    »Sehr, vielen Dank. Sie hoffentlich auch.«
    Paul, dem Miss Greythorne Leid tat, gab sich immer Mühe, höflich und zugleich herzlich zu sein; er hütete sich, die Augen in der hohen Halle herumwandern zu lassen, während er sprach. Denn obgleich die Köchin und das Hausmädchen mit strahlenden Gesichtern im Hintergrund standen und der Butler ihnen festlich gekleidet die Tür geöffnet hatte, war in dem großen Haus sonst keine Spur von Gästen, einem Baum, Weihnachtsschmuck oder sonst irgendeinem Anzeichen von Festlichkeit zu sehen. Nur über dem Kaminsims hing ein riesiger Zweig Stechpalme mit vielen roten Beeren.
    »Dies sind seltsame Tage«, sagte Miss Greythorne und sah Paul nachdenklich an. Dann wandte sie sich plötzlich an Will: »Und du, junger Mann, bist wohl dieses Jahr besonders beschäftigt?«
    »Das kann man wohl sagen«, sagte Will in seiner Überraschung offen heraus.
    »Wir wollen eure Kerzen anzünden«, sagte Merriman in leisem, respektvollem Ton. Er brachte eine Schachtel riesiger Streichhölzer zum Vorschein. Hastig zerrten sie alle ihre Kerzen aus der Tasche, der Butler entzündete ein Streichholz, ging sorgsam von einem zum andern. Das Licht verwandelte seine Augenbrauen in phantastische, struppige Hecken und die Linien, die sich von der Nase zu den Mundwinkeln zogen, in schattige Abgründe. Will betrachtete nachdenklich seinen Frack mit dem kurzen

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