Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Merry stehen, Professor Merriman Lyon, die geheimnisvollste Gestalt in ihrem Leben, die auf eine unbegreifliche Weise in den langen Kampf der Mächte des Lichts mit den Mächten der Finsternis um die Herrschaft über die Welt verwickelt war.
»Ich werde mit euren Eltern sprechen«, sagte der Großonkel.
»Warum wieder Trewissick?«, sagte Jane. »Werden die Diebe den Gral dorthin bringen?«
»Vielleicht.«
»Nur eine Woche«, sagte Barney und starrte nachdenklich auf den leeren Schaukasten. »Das ist nicht lange für eine solche Aufgabe. Wird das wirklich genügen?«
»Es ist nicht lang«, sagte Großonkel Merry. »Aber es muss genügen.«
Will zog einen Grashalm aus seinem Röhrchen, setzte sich auf einen Stein vor dem Gartentor und fing an, niedergeschlagen daran zu knabbern. Die Aprilsonne glänzte auf dem frischen grünen Laub der Linden, eine Drossel sang irgendwo ihre fröhliche Melodie, die sich wie ein Echo immer wiederholte. Flieder und Goldlack füllten den Morgen mit ihrem Duft. Will seufzte. All diese Freuden eines Frühlings in Buckinghamshire waren ja gut und schön, aber er hätte sie mehr genossen, wenn er einen Gefährten für die Osterferien gehabt hätte. Die Hälfte der großen Familie war zwar noch zu Hause, aber der ihm nächste Bruder James verbrachte die Woche in einem Pfadfinderlager, und Mary, die im Alter vor ihm kam, war zu Verwandten nach Wales gefahren, um sich von ihrem Mumps zu erholen. Die anderen waren mit langweiligen, »erwachseneren« Dingen beschäftigt. Das war das Schlimme daran, wenn man das jüngste von neun Kindern war: Alle Geschwister schienen zu schnell erwachsen zu werden.
In einer Hinsicht allerdings war er, Will Stanton, viel älter als alle seine Geschwister, älter als jedes menschliche Wesen. Aber nur er wusste von dem großen Abenteuer, in dessen Verlauf ihm an seinem elften Geburtstag offenbart worden war, dass er der Letztgeborene der
Uralten
war, der Wächter des Lichts, deren Aufgabe es nach unverrückbaren Gesetzen war, die Welt gegen die aufsteigende Macht der Finsternis zu verteidigen. Nur er wusste es — aber weil er auch ein gewöhnlicher Junge war, dachte er jetzt nicht daran.
Raq, einer der Haushunde, stieß seine feuchte Nase in Wills Hand. Will liebkoste die hängenden Ohren. »Eine ganze Woche«, sagte er zu dem Hund. »Was sollen wir machen? Fischen gehen?«
Die Ohren zuckten, die Nase zog sich aus der Hand. Aufrecht und gespannt, wandte sich Raq der Straße zu. Gleich darauf hielt ein Taxi vor dem Gartentor: nicht das vertraute, zerbeulte Auto, das als Dorftaxi diente, sondern ein glänzendes, »professionelles« Gefährt aus der drei Kilometer entfernten Stadt. Der Mann, der ausstieg, war klein, hatte eine beginnende Glatze und wirkte ziemlich zerknittert. Er trug einen Regenmantel und in der Hand eine große, formlose Reisetasche. Er bezahlte die Taxe, blieb auf einem Fleck stehen und schaute Will an.
Neugierig sprang Will auf und trat ans Tor. »Guten Morgen!«, sagte er.
Der Mann stand eine Weile mit ernstem Gesicht da, dann grinste er. »Du bist Will«, sagte er. Er hatte ein glattes, rundes Gesicht mit runden Augen wie ein kluger Fisch.
»Stimmt«, sagte Will.
»Der jüngste Stanton. Der siebente Sohn. Da bist du mir um einen Punkt überlegen — ich war nur der sechste.«
Seine Stimme war sanft und ein wenig heiser und er sprach mit einem seltsamen mittelatlantischen Akzent. Die Vokale waren amerikanisch, aber die Intonation war englisch. Will lächelte mit höflichem Unverständnis.
»Dein Vater war der siebente Sohn in seiner Familie«, sagte der Mann im Regenmantel. Er grinste wieder und dabei bildeten sich Fältchen in den Winkeln seiner runden Augen. Dann streckte er die Hand aus. »Hallo. Ich bin dein Onkel Bill.«
»Nein, da bin ich platt«, sagte Will. Er schüttelte die Hand.
Onkel Bill, dessen Namen er trug. Der Lieblingsbruder seines Vaters, der vor vielen, vielen Jahren nach Amerika ausgewandert war und dort ein erfolgreiches Unternehmen gegründet hatte — Tonwaren — das war es doch? Will konnte sich nicht erinnern, ihn je zuvor gesehen zu haben; jedes Jahr bekam er ein Weihnachtsgeschenk von seinem unbekannten Onkel Bill, der auch sein Patenonkel war, und daraufhin schrieb er jedes Jahr einen ausführlichen Brief, in dem er sich bedankte, aber seine Briefe waren nie beantwortet worden.
»Du bist aber groß geworden«, sagte Onkel Bill, während sie auf das Haus zugingen, »als wir uns das letzte Mal
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