Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
sagte Will fröhlich. »Es ist ein herrlicher Morgen zum Wandern.«
Stumm und bedrückt sprach er in Merrimans Gedanken hinein:
»Ich glaube, die Finsternis hat sie gefangen. Spürst du es auch?«
»Aber sie fügt ihnen keinen Schaden zu«,
kam die ruhige Antwort in sein Bewusstsein hinein. »
Und vielleicht ist es zu unserem Nutzen.«
Barney stand in der Tür des Wohnwagens und blinzelte ins Sonnenlicht. »Na«, sagte er, »wann bekommen wir sie denn?«
»Was?«, sagte Simon.
»Die Limonade, natürlich.«
»Was für Limonade?«
»Was ist denn los mit dir? Er hat uns doch eben zu trinken angeboten. Er sagte, die Dosen wären in dem kleinen Schrank und wir könnten sie uns nehmen. Und etwas mit einem Karton.« Er wandte sich, um hineinzugehen, und sah dabei Simon lachend an. Plötzlich blieb er stehen.
»Simon, was ist denn bloß los?«
Simons Gesicht war blass und angespannt, die Linien darin zogen sich nach unten und gaben ihm einen merkwürdig erwachsenen Ausdruck von Kummer und Besorgtheit. Er starrte Barney einen Moment lang an, dann schien er sich zusammenzureißen, um Barney scheinbar unbefangen antworten zu können. »Hol du sie«, sagte er. »Die Limonade. Hol du sie. Bring sie hier heraus. Es ist schön hier in der Sonne.«
Barney hörte hinter sich im Wohnwagen ein Geräusch und sah, dass Simon zusammenfuhr, als hätte er einen Schlag erhalten. Dann sah er, wie sein Bruder versuchte, sich zu beherrschen. Simon lehnte mit dem Rücken an der Wand des Wohnwagens, das Gesicht der Sonne zugewandt.
»Geh schon«, sagte er.
Verwundert trat Barney in den Wohnwagen hinein, dessen Inneres jetzt von der Sonne, die durch die Fenster strömte, hell erleuchtet war. Der dunkle Maler saß mit aufgestützten Ellbogen am Tisch und schlürfte eine Tasse Kaffee.
»Ist es hier?« Barney wies mit dem Fuß auf einen kleinen Schrank unter dem Spülstein.
»Ja«, sagte der Mann.
Barney ging in die Knie und holte zwei Dosen Orangeade heraus. Dann spähte er in den kleinen Schrank hinein. »Sie sagten etwas von einem Karton. Aber ich sehe keinen.«
»Es ist nicht wichtig«, sagte der Maler.
»Aber da ist noch etwas — « Barney griff hinein und holte ein Blatt Papier heraus. Nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte, ging er wieder in die Hocke zurück und schaute ausdruckslos zu dem Mann auf. »Es ist die Zeichnung, die Sie mir weggenommen haben.«
»Nun«, sagte der Mann. »Du bist doch hergekommen, um sie zu holen, nicht wahr?« Die dunklen Augen unter den zusammengezogenen Brauen funkelten Barney kalt an. »Nimm sie, trink deine Limonade und geh.«
Barney sagte: »Ich würde immer noch gern wissen, warum Sie damit weggelaufen sind.«
»Du hast mich nervös gemacht«, sagte der Mann kurz angebunden. Er stellte seine Kaffeetasse hin und bedeutete Barney mit der Hand zu gehen. »Ich lasse meine Arbeit nicht von einem kleinen Lümmel kritisieren. Fang nicht wieder an.« Seine Stimme erhob sich drohend, als Barney den Mund aufmachen wollte. »Geh jetzt.«
Von der Tür her sagte Simon: »Was ist los?«
»Nichts«, sagte Barney. Er rollte seine Zeichnung zusammen, ergriff die beiden Dosen und ging zur Tür.
»Eigentlich bin ich gar nicht durstig«, sagte Simon.
»Aber ich.« Barney nahm einen tiefen Schluck.
Der Maler stand mit gerunzelter Stirn da und versperrte ihnen den Eingang zum Wagen. Draußen im Sonnenschein tat das große Pferd einen Schritt nach vorn und rupfte mit rhythmischen Bewegungen Gras.
Simon sagte: »Dürfen wir jetzt gehen?«
Die Augen des Mannes verengten sich; er sagte hastig: »Ich kann euch nicht halten. Warum fragst du mich?«
Simon zuckte die Schultern. »Eben noch sagte Barney: lass uns heimgehen, und Sie sagten: noch nicht.«
Etwas wie Erleichterung blitzte in dem dunklen Gesicht auf. »Dein Bruder hat jetzt seine kostbare Zeichnung zurück. Geht also, geht. Oben links von der Farm« — er wies mit der Hand den grasüberwachsenen Weg entlang, der um eine Biegung verschwand — »findet ihr eine Abkürzung zum Dorf hinunter. Der Weg ist ein wenig überwuchert, aber er führt zum Kemare Head.«
»Danke«, sagte Simon.
»Auf Wiedersehn«, sagte Barney.
Sie überquerten die Wiese, ohne zurückzublicken. Sie hatten das Gefühl, aus einem düsteren Nebel zu kommen.
»Glaubst du, dass es eine Falle ist?«, flüsterte Barney. »Vielleicht lauert uns jemand bei der Farm auf?«
»Das wäre zu kompliziert«, sagte Simon. »Er braucht keine Fallen zu stellen.«
»Schon gut.«
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