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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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starrte.
    »Simon!«
    »Was ist los?«
    »Schau mal!«
    Unten im Hafen, mitten auf dem Kai, saß der Maler, der Mann der Finsternis. Er saß auf einem Klappstuhl vor einer Staffelei, der offene Rucksack stand neben ihm auf dem Boden und er malte. Es war nichts Gehetztes in seinen Bewegungen, er saß ganz entspannt und ruhig da und tupfte mit dem Pinsel auf die Leinwand. Zwei Feriengäste standen hinter ihm und schauten zu; er beachtete sie gar nicht, sondern arbeitete gelassen weiter.
    »Da
sitzt
er einfach!«, sagte Simon erstaunt.
    »Das ist ein Trick. Das muss so sein. Vielleicht hat er einen Komplizen, jemanden, der für ihn handelt, während er unsere Aufmerksamkeit ablenkt.«
    Simon sagte langsam: »Im Wohnwagen gab es keine Spur von einem anderen. Und die Farm sah aus, als wäre sie seit Jahren verlassen.«
    »Wir sollten es dem Kapitän erzählen.«
    Aber sie brauchten es ihm nicht zu erzählen. Im Grauen Haus fanden sie Barney in einem kleinen Zimmer im oberen Stockwerk, von dem aus man den Hafen überblicken konnte.
    Er hockte da und beobachtete den Maler durch das größte Teleskop des Kapitäns. Der alte Mann selber, der ihnen die Tür geöffnet hatte, blieb unten. »Mein Fuß«, sagte er mit Bedauern, »der macht das Treppensteigen nicht mehr mit.«
    »Aber ich wette«, sagte Barney, »wenn er will, sieht er mit geschlossenen Augen genauso viel wie ich durch dieses Ding.« Er hatte ein Auge zugemacht und drückte das andere mit verkniffenem Gesicht an das Fernrohr. »Wisst ihr, er ist was Besonderes. Genau wie Gumerry. Sie gehören zu derselben Sorte Menschen.«
    »Was für eine Sorte ist das wohl«, sagte Jane nachdenklich.
    »Wer weiß das?« Barney stand auf und streckte sich. »Eine unheimliche Sorte. Eine außerordentliche Sorte. Die Sorte Mensch, die zu den Mächten des Lichts gehört.«
    »Was immer das sein mag.«
    »Ja, was immer das sein mag.«
    »He Jane, sieh dir das an!« Simon hatte sich zum Okular des Fernrohrs heruntergebeugt. »Es ist fantastisch. Als ob man direkt neben ihm wäre — man kann praktisch seine Wimpern zählen.«
    »Ich habe dieses Gesicht so lange angestarrt, ich könnte es aus dem Gedächtnis zeichnen«, sagte Barney.
    Simon konnte sich nicht von der Linse trennen, er war wie verzaubert. »Es ist genauso, als hörte man alles, was er sagt. Man kann es von seinen Lippen ablesen. Man sieht jede kleine Veränderung des Ausdrucks.«
    »Das stimmt«, sagte Barney. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, dann hauchte er auf die Scheibe, zeichnete mit dem Finger ein kleines Gesicht auf das beschlagene Glas und wischte es wieder weg. »Der Anblick seines Gesichts ist schrecklich. Es ist nur schade, dass man gar nicht sehen kann, was er malt.«
    Jetzt war Jane an der Reihe, durch das Fernrohr zu schauen. Sie starrte ängstlich in das Gesicht, das die starken Linsen ganz nah heranholten: ein Gesicht mit dunklen Brauen in wütender Konzentration, umrahmt von langem, störrischem Haar. »Ja, von hier aus sieht man natürlich nur die Rückseite der Leinwand und darüber sein Gesicht. Aber ist das wichtig?«
    »Wenn man ein Künstler ist wie Barney, dann ist es wichtig«, sagte Simon. Er schlug sich an den Kopf und nahm eine übertrieben künstlerische Pose ein.
    »Haha«, sagte Barney gereizt. »Das ist es nicht. Ich dachte, das Bild könnte wichtig sein.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Kapitän Toms hat mich gefragt, was er malt.«
    »Und als du sagtest, du könntest es nicht sehen, was hat er da gesagt?«
    »Er hat gar nichts gesagt.«
    »Na also.«
    »Euer Maler verändert seinen Ausdruck kein bisschen, findet ihr nicht auch?« Jane schaute immer noch. »Er sitzt einfach da und starrt die Leinwand wütend an. Komisch.«
    »Nicht sehr komisch«, sagte Simon. »Er ist ein wütender Kerl.«
    »Nein, ich meine, es ist komisch, dass er nirgendwo sonst hinschaut. Wenn Mutter eine Landschaft malt, dann kann man sehen, wie ihre Augen die ganze Zeit auf und ab gehen. Sie flackern. Von dem, was sie malt, hinunter auf das Bild und dann wieder zurück. Aber das macht er nicht.«
    »Lass mich noch mal gucken.«
    Barney schob sie beiseite und beugte sich eifrig zur Linse hinunter, wobei er seine helle Stirnlocke zurückstrich und festhielt, damit sie ihm nicht in die Augen fiel. »Du hast Recht. Warum habe ich das nicht bemerkt?« Er schlug sich mit der Faust aufs Knie.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum ihr euch darüber so aufregt«, sagte Simon beschwichtigend.
    »Nun, vielleicht

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