Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
ist es nicht wichtig. Aber wir sollten es doch Kapitän Toms erzählen.«
Sie polterten die drei Treppen hinunter und stürzten in das mit Büchern voll gestellte Wohnzimmer im vorderen Teil des Hauses. Rufus erhob sich und kam ihnen schwanzwedelnd entgegen, Kapitän Toms stand neben einem der Bücherschränke und blickte in ein kleines Buch, das er in der Hand hielt. Als sie auf ihn zustürzten, sah er auf und schloss das Buch.
»Was für Nachrichten, ihr Großstädter?«, fragte er.
Barney sagte: »Er sitzt immer noch da und malt. Aber Jane hat gerade etwas bemerkt: Er malt nichts ab. Ich meine, er schaut nur auf das Bild, ohne auch nur einen Blick auf etwas anderes zu werfen.«
» Er könnte also genauso gut in seinem Wohnwagen malen, statt hier zu sitzen«, sagte Simon, der jetzt begriffen hatte. »Er kann also nicht einfach dort sitzen, um zu malen, er muss noch aus einem anderen Grund dort sein.«
»Das könnte stimmen«, sagte Kapitän Toms. Er schob die Bücher auf dem nächsten Bücherbord auseinander und steckte seinen Band sorgfältig zurück. »Und auch das könnte nicht ganz zutreffen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Jane.
»Das Malen und der andere Grund könnten ein und dasselbe sein«, sagte Kapitän Toms und schaute zu seinen Büchern auf, als wollte er sie zwingen zu reden, »das Schlimme ist nur, dass ich bei allen Überlegungen nicht herausfinde, was hinter all dem steckt.«
Stunde um Stunde hielten sie abwechselnd Wache. Schließlich saßen Simon und Jane nach einer Mahlzeit, die man ein frühes Abendessen oder auch einen verspäteten Tee nennen konnte, wieder bei Kapitän Toms in seinem mit Büchern ausgekleideten Wohnzimmer. Der Kapitän paffte zufrieden seine gemütlich riechende Pfeife. Das graue Haar bildete einen Kranz um seine kahle Schädeldecke wie um die Tonsur eines freundlichen alten Mönchs.
»Es wird bald dunkel«, sagte Jane und betrachtete den rotgoldenen Abendhimmel. »Dann muss er aufhören zu malen.«
»Ja, aber er ist immer noch dabei«, sagte Simon, »sonst wäre Barney von seinem Ausguck heruntergekommen.« Er schlenderte im Zimmer umher und betrachtete die Bilder, die zwischen den Bücherschränken hingen. »Ich erinnere mich an diese Schiffe vom letzten Jahr. Die
Golden Hind...
die
Mary and Ellen...
die
Lottery —
das ist ein komischer Name für ein Schiff.«
»So ist es«, sagte Kapitän Toms, »aber ein passender. Eine Lotterie ist ein Glücksspiel — und dieses Schiff gehörte auch Leuten, die man Spieler nennen könnte. Sie war ein berühmtes Schmugglerschiff.«
»Schmuggler!« Simons Augen glänzten.
»Das war vor zweihundert Jahren in Cornwall ein regelrechter Beruf. Schmuggeln... sie haben es nicht einmal so genannt, man nannte es den ehrlichen Handel. Sie hatten schnelle, kleine Schiffe, gute Segler. Manches Schmuggelboot wurde hier in Trewissick gebaut.« Der alte Mann betrachtete, in Gedanken versunken, seine Pfeife, drehte sie in den Fingern hin und her. »Aber die Geschichte der
Lottery
ist eine düstere Geschichte über einen meiner Vorfahren, den ich manchmal gern vergessen möchte. Und doch ist es besser, sich zu erinnern... Die
Lottery
war aus Polperro — ein wunderschönes Segelschiff. Ihre Mannschaft hatte viele Jahre lang Schmuggel betrieben und war nie geschnappt worden, bis eines Tages ein Zollkutter sie östlich von hier einholte. Beide Schiffe feuerten aufeinander und ein Zöllner wurde getötet. Nun, ein Totschlag war etwas anderes als Schmuggel. Die ganze Mannschaft der
Lottery
wurde von der Polizei gesucht. Es ist nicht schwer in Cornwall, sich der Fahndung der Polizei zu entziehen, und eine Zeit lang waren alle in Sicherheit. Es hätte auch weiter so bleiben können, aber einer der Mannschaft, Roger Toms, stellte sich der Zollbehörde und wurde zum Kronzeugen: Es verriet, dass es einer seiner Schiffskameraden, Tom Potter, gewesen war, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte.«
»Und Roger Toms war Ihr Vorfahr«, sagte Jane.
»Ja, der arme, irregeleitete Mensch. Die Leute von Polperro ergriffen ihn und brachten ihn auf ein Schiff, das zu den Kanalinseln fuhr, damit er bei dem Prozess nicht vor Gericht gegen Tom Potter aussagen konnte. Aber die Zöllner brachten ihn zurück, und Tom Potter wurde verhaftet, im Old Bailey in London vor Gericht gestellt und gehängt.«
»Aber war Potter nicht schuldig?«, sagte Simon.
»Das weiß niemand bis auf den heutigen Tag. Die Leute von Polperro hielten ihn für unschuldig — einige
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