Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Jakobskraut malten weiße und gelbe Sterne in die Hecken, in denen weiter oben die roten Beeren des Weißdorns aufleuchteten; die sanften Hänge am Anfang des Tales waren vom Farn goldbraun gefärbt, einem Farn, der in diesem seltsamen Nachsommer so trocken wie Zunder war. Rundum lagen die Berge im Dunst wie schlafende Tiere, und ihre gedämpften Farben wechselten von Stunde zu Stunde, von Braun zu Grün, zu Purpur und langsam wieder zurück.
Doch hinter all dieser herbstlichen Sanftheit spürte Will, während er über die Felder und den von Ginster leuchtenden Berg streifte, überall eine wachsende Spannung, die sich von den hohen, über dem Ende des Tales brütenden Gipfeln ausbreitete wie eine langsame, unbarmherzige Flut. Feindseligkeit drängte sich ihm entgegen. Langsam, aber unabwendbar baute sich ein Albdruck von Bösartigkeit auf, bis zu dem Punkt, wo sie ihn brechen und überwältigen konnte. Und niemand wusste davon. Nur die verborgenen Sinne eines Uralten konnten das Wirken der Finsternis spüren.
Tante Jen war entzückt von der Veränderung in Wills Aussehen. »Nun sieh doch nur — erst ein paar Tage, aber jetzt hast du wieder Farbe, und wenn die Sonne weiter so scheint, wirst du noch braun werden. Ich habe gestern Abend an Alice geschrieben. Du würdest ihn nicht wiedererkennen, habe ich gesagt, er sieht wie ein anderer Junge aus ...«
»Wirklich eine sehr schöne Sonne«, sagte Wills Onkel David. »Aber für diese Jahreszeit ein bisschen zu viel des Guten, wenn ihr mich fragt. Die Weiden vertrocknen, und der Farn auf dem Berg — wir könnten jetzt ein bisschen Regen brauchen.«
»Hört ihn an«, sagte Tante Jen und lachte. »Regen ist etwas, an dem es uns hier nie mangelt.«
Aber die Sonne lachte weiter vom Himmel, und Will begleitete John Rowlands und seine Hunde, um eine Herde von einjährigen Schafen zu holen, die auf dem Clwyd-Hof überwintern sollten. Der Bergbauer, dem sie gehörten, hatte sie schon den halben Weg heruntergebracht, zu einem anderen Hof am Anfang des Tales. Als er das Gewühl von grauweißen wolligen Rücken sah, die sich hin und her bewegten und einander stießen, etwa achtzig lebhaft blökende und ohrenbetäubend laut schreiende Jungtiere, konnte Will sich nicht vorstellen, wie es möglich sein sollte, sie unversehrt nach Clwyd zu bringen. Als nur ein Einziges von ihnen sich von den anderen entfernte und seitlich auf ihn zutänzelte, konnte er es nicht dazu bringen, zu seinen Gefährten zurückzukehren, nicht einmal, indem er schrie und schob und auf seine breiten wolligen Seiten einschlug. »Baaaa«, sagte das Schaf, in einem tiefen, dümmlichen Bariton, als sei er gar nicht vorhanden, und lief weiter, um an der Hecke zu kauen. Doch im gleichen Augenblick, als Tip, John Rowlands' Schäferhund, zielbewusst in seine Richtung trabte, drehte das Schaf sich gehorsam um und kehrte zu den anderen zurück.
Will konnte nicht sehen, wie John Rowlands sich mit seinen Hunden verständigte. Es waren zwei: der gefleckte Tip, der nach den weißen Flecken auf seiner Schnauze und der äußersten Spitze seines beweglichen Schwanzes so genannt worden war (Tip = Spitze), und ein größerer, eher Furcht einflößend aussehender Hund, der Pen hieß, mit einem schwarzen, langhaarigen Fell und einem verstümmelten Ohr, das er sich vor langer Zeit bei einer Auseinandersetzung geholt hatte. Rowlands brauchte sie nur anzusehen, sein mageres braunes Gesicht lächelnd in Falten zu legen, ein leises Wort auf Walisisch zu sagen oder einmal kurz zu pfeifen, und weg waren sie in einem komplizierten Manöver, das ein Durchschnittsmensch erst nach zehn Minuten detaillierter Erklärungen verstanden hätte.
»Geh voran«, rief er Will durch den Chor tiefer, entnervender »Baaas« zu, während er die Pforte öffnete und die Schafe sich auf die Straße ergossen wie Milch. »Ein gutes Stück vor ihnen, damit du irgendwelche Autos an die Seite winken kannst.«
Will zwinkerte erschrocken mit den Augen. »Aber wie soll ich die Schafe zurückhalten? Sie werden alle an mir vorbeilaufen!«
John Rowlands lächelte und seine Zähne blitzten weiß auf in dem dunklen walisischen Gesicht. »Keine Sorge, Pen wird sich darum kümmern.«
Und das tat Pen; es sah aus, als habe er ein Seil um die vordere Reihe der Schafherde gespannt, um sie in einer ordentlichen, festen Linie zu halten. Trabend, vorschießend, auf dem Bauch rutschend, immer in Bewegung, manchmal einen Ausreißer mit einem einzigen kurzen Bellen zur
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