Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
musste er das Haus mit der goldenen Harfe verlassen. Und es war nicht wahrscheinlich, dass Tante Jen diesen in Sackleinen eingewickelten Gegenstand an ihren scharfen Augen vorbeilassen würde, nicht ohne zumindest zu fragen, was er da eingewickelt habe. Und welchen vorstellbaren Grund konnte irgendjemand haben — und am wenigsten ihr Neffe —, es sie nicht sehen zu lassen?
    Will wünschte, nicht zum ersten Mal, dass Merriman bei ihm wäre, um solche Probleme lösen zu helfen. Für einen Meister des Lichts war es keine großartige Angelegenheit, Wesen und Gegenstände im Nu nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit zu befördern. Aber dem Jüngsten der Uralten war diese Fähigkeit, so bitter nötig er sie auch haben mochte, nicht gegeben.
    Er kam zum Hof, fuhr hinein und benutzte die Hintertür. Aber als er rief, antwortete niemand. Plötzlich wurde ihm mit großer Erleichterung klar, dass er draußen keine Autos gesehen hatte. Sein Onkel und seine Tante mussten beide fortgefahren sein. Da hatte er wenigstens ein bisschen Glück. Er lief hinauf in sein Zimmer, sagte die erforderlichen Worte, um die goldene Harfe von ihrem Schutzbann zu lösen, und lief mit der Harfe unter dem Arm wieder runter, einem in derbes Sackleinen gehüllten, unregelmäßig dreieckigen Gegenstand. Er hatte den Hofplatz halb überquert auf seinem Weg zum Fahrrad, als ein Landrover durch das Tor tuckerte.
    Eine Sekunde lang erstarrte Will vor Schreck; dann ging er langsam, vorsichtig weiter zum Rad und brachte es in die richtige Stellung zum Abfahren.
    Owen Davies stieg aus dem Wagen und blickte ihn an. Er sagte: »Warst du es, der das Tor aufgelassen hat?«
    »Oje!« Will war aufrichtig entsetzt: Er hatte die klassische Sünde auf einem Bauernhof begangen und es nicht einmal gemerkt. »Ja, das war ich, Mr Davies. Das ist schlimm. Es tut mir wirklich schrecklich Leid.«
    Owen Davies, mager und ernsthaft, schüttelte tadelnd den Kopf mit der flachen Mütze. »Eines der wichtigsten Dinge überhaupt ist das: Schließe auf einem Hof jedes Tor, das du geöffnet hast. Du weißt nicht, wie viel Vieh deines Onkels entwischt sein könnte, das auf keinen Fall hinausdurfte. Ich weiß, dass du aus England kommst, zweifellos aus der Stadt, aber das ist keine Entschuldigung.«
    »Ich weiß«, sagte Will. »Und ich komme nicht einmal aus der Stadt. Es tut mir wirklich Leid. Ich werde es Onkel David sagen.«
    Verblüfft über dieses ehrliche Eingeständnis, tauchte Owen Davies abrupt wieder auf aus dem Meer von Rechtschaffenheit, das ihn zu verschlucken gedroht hatte. »Na ja«, sagte er, »für diesmal wollen wir es beide vergessen. Ich denke, du wirst es nicht wieder tun.«
    Seine Blicke wanderten zur Seite. »Ist das Brans Fahrrad? Ist er mit dir gekommen?«
    Will klammerte die eingewickelte Harfe fest zwischen Ellbogen und Seite. »Er hat es mir geliehen. Er fuhr mit dem Rad herum, und ich war ... weiter oben im Tal, zu Fuß, und ich sah ihn, und wir dachten, wir machen einen Versuch mit einem großen Modellflugzeug, das ich gebaut habe.« Er klopfte auf das Bündel unter seinem Arm und schwang gleichzeitig das Bein über den Sattel. »Darum fahre ich jetzt wieder zu ihm. Ist das in Ordnung? Sie brauchen ihn nicht für irgendetwas?«
    »Oh, nein«, sagte Owen Davies. »Ich brauche ihn jetzt nicht.«
    »John Rowlands hat Pen sicher und wohlbehalten zu Mr Jones nach Ty-Bont gebracht«, sagte Will strahlend. »Ich soll dort zum Abendessen bleiben, es würde etwas später, sagte Mrs Jones — darf Bran mit mir nach Ty-Bont gehen, Mr Davies? Bitte!«
    In Owen Davies' mageres Gesicht trat der besorgte Ausdruck eines Mannes, der stets bemüht ist, den Anstand zu wahren. »Oh, nein, das geht doch nicht, Mrs Jones rechnet nicht mit ihm, es ist nicht nötig, ihr noch einen anderen ...«
    Unvermutet hielt er inne. Es sah aus, als höre er etwas, ohne es zu verstehen. Erstaunt sah Will, wie sein Gesicht einen seltsam verwirrten Ausdruck annahm, wie ein Mann, der einen Traum träumt, den er oft geträumt hat, aber noch nie deuten konnte. Es war ein Ausdruck, den Will nie im Gesicht eines so durchschaubaren und unkomplizierten Mannes wie Brans Vater zu sehen erwartet hatte.
    Owen Davies sah ihm direkt in die Augen, was noch ungewöhnlicher war. Er fragte: »Wo, sagtest du, habt ihr gespielt, du und Bran?«
    Will überhörte würdevoll das Wort »gespielt« und kickte gegen das Pedal. »Draußen auf dem Heideland. Ein ganzes Stück das Tal hinauf, in der

Weitere Kostenlose Bücher