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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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gebe ich ja zu. Haben auch allen Grund, grün zu sein. Immer Wolken, Nebel, Feuchtigkeit und Regen.« Er seufzte. »Oh, die Knochen tun mir weh ...«
    Merriman sagte leise: »Und nicht nur die Knochen ... Es muss schwer sein für jemanden, der unter der Sonne des Südens geboren ist.«
    Der Zenturio starrte über die Holzsitze und die Steinsäulen hinweg, ohne etwas zu sehen, und schüttelte hilflos den Kopf.
    Will sagte mit einer leisen, klaren Stimme, die jemand anders zu gehören schien: »Wie sieht es aus in deiner Heimat?«
    »In Rom? Eine große Stadt. Aber ich bin außerhalb der Stadt zu Hause, auf dem Land. Ein ruhiges Leben, aber angenehm ...« Er sah Will an. »Ich habe einen Sohn, der jetzt so groß wie du sein muss. Als ich ihn das letzte Mal sah, konnte ich ihn in die Luft werfen und mit den Händen auffangen. Jetzt berichtet meine Frau mir, dass er reiten kann wie ein Zentaur und schwimmen wie ein Fisch. Vielleicht schwimmt er in diesem Augenblick in dem Fluss in der Nähe meines Grundstückes. Ich wollte, dass er dort aufwächst, wie ich. Wo die Sonne einem heiß auf die Haut brennt und die Luft vom Zirpen der Zikaden klingt und eine Kette von Zypressen sich dunkel vom Himmel abhebt ... wo die Hügel silbern sind von Olivenbäumen und in Terrassen angelegt für den Wein, wo die Trauben jetzt heranreifen ...«
    Das Heimweh war ein pulsierender Schmerz, wie körperliche Schmerzen, und plötzlich wusste Will, dass die Antwort hier in der Luft lag, in diesem Augenblick einfachen, ungeschützten Verlangens, in dem die tiefsten, schlichtesten Empfindungen eines Mannes offen und unbewacht vor Fremden ausgebreitet waren. Dies war der Weg, der ihn weiterbringen würde.
    Hier, jetzt, dieser Weg!
    Er versetzte sich in das Verlangen, den Schmerz des anderen, als tauche er in ein Meer, und wie Wasser, das sich über ihm schloss, nahm das Gefühl ihn auf. Die Welt drehte sich um ihn, Stein und grauer Himmel und grüne Felder, die wirbelten und sich veränderten und wieder ihren Platz einnahmen, etwas anders als vorher, und die sehnsüchtige, heimwehkranke Stimme ertönte wieder leise in seinen Ohren, aber es war eine andere Stimme.
    Es war eine andere Stimme und es war eine andere Sprache; es war ein weiches Englisch mit einem Akzent, mit langen Vokalen. Und es war Abend, mit einem vom Mondlicht überfluteten silberdunklen Himmel und Schatten auf allen Seiten, Umrissen und Schatten, die sich nicht voneinander unterscheiden ließen.
    Aber das schmerzliche Verlangen in der neuen Stimme war genau das gleiche.
    »... besteht nur aus Sonne und Sand und See, dieser Teil Floridas. Mein Teil. Überall Blumen. Oleander und Hibiskus, Weihnachtsstern in großen, wilden roten Sträuchern, nicht in mickrige, kleine Blumentöpfe gesperrt. Und unten am Strand bläst der Wind durch die Kokospalmen und die Blätter rauschen leise wie ein Regenschauer. Als ich in deinem Alter war, ließ ich mich an den Blättern hin und her schwingen wie an einem Seil. Wenn ich jetzt dort wäre, würde ich mit meinem Dad draußen auf dem Meer fischen — er hat ein wunderschönes Boot.
Betsy Girl
heißt es, nach Mam. Wenn du aufs Meer willst, musst du durch die Mangroven — dunkelgrün, wie ein Wald im Wasser. Das Wasser ist auch grün, bis du hinaus in den Golf kommst, und dann ist es tief-, tiefblau. Schön. Und du ziehst die Ausleger hoch und wirfst die Leinen aus und donnerst weiter, und du fängst Makrelen oder Tümmler oder, wenn du Glück hast, Pompano. Die Touristen sind alle scharf auf Seglerfisch oder Königsdorsch. Am Tag bevor ich von zu Hause fortging, hab ich einen Königsdorsch von sechzig Pfund gefangen. Ginny, das ist mein Mädchen, hat ein Foto gemacht.«
    Will sah ihn vor sich, gegen den Himmel abgesetzt, abwechselnd hell und dunkel, während sich bildende Wolkenberge am Mond vorüberzogen: ein magerer junger Mann mit langem Haar, das in einem struppigen Pferdeschwanz zurückgebunden war. Die weiche Stimme fuhr fort mit den Erinnerungen:
    »Hab Ginny seit acht Monaten nicht mehr gesehen. Eine lange Zeit, Mann. Ich hab schon genau geplant, was wir an unserm ersten Tag tun werden, wenn ich nach Hause komm. Denke ständig darüber nach. Ein langer fauler Tag in der Sonne, schwimmen, am Strand liegen, vielleicht surfen. Und Bier und Hamburger bei Pete. Seine Hamburger sind einfach fantastisch, groß und saftig, auf selbst gebackenen Brötchen und mit diesen köstlichen Mixedpickles. Ginny ist ganz versessen drauf ... Sie ist so

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