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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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zurückhalten?«
    »Hoffnungslos.«
    »Gibt es nicht
irgendetwas,
was du tun kannst, geschehen lassen kannst?«
    »Wir sind im Verlorenen Land ...«
    Und das scheußliche Wesen da draußen im Sonnenschein schlug einen letzten großen Bogen, bevor es sich auf die Tür stürzen würde, um einzudringen und sie zu vernichten. Es tänzelte absichtlich nahe am Fenster vorbei und aus seinem hohläugigen Schädel lachte es sie eine Sekunde lang schauerlich und tonlos an. Es war die letzte Sekunde. Als das Wesen so nahe am Haus vorbeilief, begann oben am Fenster so etwas wie ein Schneegestöber, eine flatternde, flimmernde Wolke von weißen Flocken, die auf die gespenstische Erscheinung fielen. Alle Blütenblätter des Weißdorns kamen herunter in einem langen, weichen Schauer. Und das Pferd, das das Skelett eines Pferdes war, brach zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte, und fiel auseinander. Knochen für Knochen trennten sich voneinander und fielen rasselnd auf den Boden, jetzt so deutlich klappernd, wie sie vorher stumm gewesen waren. Es blieb nichts übrig als ein Haufen weißer Knochen, die in der Sonne schimmerten, ausgebleicht, schon lange tot, und ein paar verblichene rote Bänder, die von dem langen, grinsenden Schädel auf der Spitze des Haufens herunterhingen.
    Bran atmete lange und leise aus und hob die Hände, um seine Augen zu bedecken; er drehte sich zur Seite und ließ sich langsam auf den Boden fallen. So war es nur Will, der voller Erstaunen mit weit geöffneten Augen am Fenster stand und sah, wie das Gestöber aus weißen Blütenblättern wieder aufstieg, flatternd, lebendig, wie eine große Wolke federleichter weißer Motten, die er schon einmal gesehen hatte, irgendwo, irgendwo — und flimmernd aufflog zum Himmel und aus seiner Sicht, weit weg.
    Will drehte sich wackelig um, nicht sicher, ob er seinen Beinen trauen konnte. Er stand da und musterte den trübe beleuchteten Raum. Es dauerte eine Weile, bis er etwas richtig erkennen konnte. Aber als seine aufgewühlten Sinne wieder zur Ruhe kamen, merkte er, dass er vor der Tür stand: einer alten, verrotteten, mitgenommenen Holztür, die keinem Stoß den geringsten Widerstand geboten hätte. Er sah, dass über ihr ein paar Worte standen, von denen ein schwacher Goldschimmer ausging. Es war nicht hell genug, um sie zu lesen. Will ging auf unsicheren Beinen hinüber und stieß die Tür auf. Helligkeit drang herein.
    Bran, hinter ihm, las langsam:
»Ich bin der Schild für jeden Kopf.«
    »Und es steht drinnen, wo wir es nicht sehen konnten«, sagte Will und trat zurück, um auf die Worte zu schauen. »Wir hätten vielleicht nie gewagt hineinzugehen, wenn da nicht das gewesen wäre, was die Alte Dame uns gesagt hat.«
    Bran setzte sich auf, die Arme über den Knien verschränkt und den weißen Kopf gesenkt.
»Duw.
Das ... Wesen ...«
    »Sprich nicht darüber«, sagte Will; ein Schauer überlief ihn wie ein kalter Windzug. Dann fiel ihm etwas ein. »Aber, Bran, wie hast du es genannt? Als es dich ... hypnotisiert hatte ... nanntest du einen walisischen Namen.«
    »Ach«, sagte Bran. »Ein Trauma, dieses Wesen. Es gibt in Südwales einen alten Weihnachtsbrauch, es geht um etwas, was
Mari Llwyd
heißt, die Graue Mähre — ein Umzug geht durch die Straßen und ein in ein weißes Laken gehüllter Mann trägt auf einer Stange den Schädel eines Pferdes. Er kann die Kiefer öffnen und schließen und vorgeben, dass es Leute beißt. Und einmal zu Weihnachten, als ich noch sehr klein war, nahmen die Rowlands uns mit dorthin, meinen Dad und mich, und ich sah die
Mari Llwyd,
und ich war halb tot vor Schreck. Furchtbar. Ich hatte wochenlang die scheußlichsten Albträume.« Er sah zu Will auf und lächelte matt. »Wenn irgendjemand wirklich die Absicht gehabt hätte, mich um den Verstand zu bringen, hätte er sich nichts Besseres einfallen lassen können.«
    Will kam zurück in den Raum; er ließ die Tür auf und das Sonnenlicht herein. »War es die Finsternis? Schwer zu sagen. Auf irgendeine Weise muss sie dahinterstecken. Ein alter Spuk des Verlorenen Landes, wieder zum Leben erweckt ...«
    »Vielleicht durch die Reiter«, sagte Bran nachdenklich. »Die Reiter, als sie vorbeikamen.« Er griff nach der Satteltasche und schaute hinein. »He — was zu essen! Hast du Hunger?«
    »Ein bisschen«, sagte Will. Er streifte umher und warf einen Blick in den einzigen anderen Raum, der nach hinten lag, aber der Geruch und die Überreste alten Heus

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