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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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über das Wasser, kamen zur Ruhe und hoben die langen Hälse wieder in anmutiger Biegung. Und als Will von den beiden wunderbaren Vögeln aufsah, erblickte er die Alte Dame; es sah aus, als stünde sie hoch oben am Bug ihres Bootes.
    Sie war weder alt noch jung, ihre Schönheit schien alterslos zu sein. Sie stand gerade und aufrecht da, und der Wind spielte in den Falten eines Umhangs, der so blau wie ein früher Morgenhimmel war. Will sprang voller Freude vor und streckte ihr eine Hand grüßend entgegen. Aber das zartknochige Gesicht der Alten Dame war ernst; sie schaute Will an, als sähe sie ihn nicht richtig, dann blickte sie Merriman an und dann Bran. Ihre Blicke glitten über die anderen, machten eine winzige Pause bei Jane und kehrten dann zu Merriman zurück.
    »Die Forderung gilt«, sagte sie.
    Will traute seinen Ohren nicht. Die melodische Stimme drückte keine Gefühle aus; sie stellte nur fest,. ohne Ausdruck, aber mit äußerster Entschiedenheit. Merriman machte einen raschen Schritt nach vorn, ohne nachzudenken, dann blieb er stehen. Will, der nicht wagte aufzublicken, sah, wie die langen, knotigen Finger seiner einen Hand sich zu einer Faust zusammenballten, sodass die Nägel in die Handfläche schnitten.
    »Die Forderung gilt«, sagte die Alte Dame wieder, mit einem leichten Beben in der Stimme. »Denn die Finsternis hat das Hohe Gesetz gegen das Licht angerufen und behauptet, dass Bran, der Sohn Arthurs, keinen rechtmäßigen Platz in dieser Zeit habe und darum an der Reise zum Baum nicht teilnehmen dürfte. Diese Forderung besteht zu Recht und muss angehört werden. Denn ohne das Anhören wird die Hohe Magie in dieser Angelegenheit keine weiteren Schritte dulden!«
    Die Schönheit ihres Gesichtes zeigte ernste Traurigkeit und sie streckte einen Arm aus, anmutig wie der Flügel eines Vogels in den fallenden Falten ihres blauen Umhangs, und zeigte mit ihren fünf Fingern auf Bran. Für einen Moment wehte ein leichter Wind über den stillen Fluss und es hing eine Andeutung von zarter Musik in der Luft; dann erstarb das blaue Licht in der Klinge von Eirias und merkwürdig langsam und ohne Geräusch fiel das Schwert auf den Boden des Schiffes. Bran erstarrte und stand dann regungslos da, aufgerichtet, die Arme an den Seiten, eine schlanke, dunkel gekleidete Gestalt, das Gesicht jetzt fast so weiß wie das Haar, gefangen in einem Augenblick der Bewegungslosigkeit, als ob alles Leben aus ihm gewichen sei. Eine dunstige Helligkeit entstand und umschwebte ihn von allen Seiten, wie ein Käfig aus Licht, sodass er immer noch bei ihnen war und doch von ihnen getrennt gehalten wurde.
    Die Alte Dame blickte hinaus auf die wartende Gestalt des Schwarzen Reiters in der wolkigen Dunkelheit.
    »Nennt Eure Forderung«, sagte sie.

Die Finsternis erhebt sich
    Der Schwarze Reiter sagte: »Wir rufen den Knaben Bran aus Clwyd im Dysynni-Tal im Königreich Gwynedd, genannt Bran Davies nach seinem Vater in der Welt, in der er aufwuchs, genannt der Pendragon nach seinem Vater, dem Pendragon in der Welt, aus der er kam. Wir fechten seine Stellung in dieser Angelegenheit an. Er hat nicht das Recht.«
    »Seine Herkunft gibt ihm das Recht«, sagte Will scharf.
    »Das ist es, was wir bestreiten, Uralter. Du wirst es hören.« Der Schwarze Reiter war jetzt nicht mehr zu sehen; seine Stimme kam hohl aus dem dunklen Tumult jenseits des Nebels. Will hatte plötzlich die Vorstellung von einer endlosen Armee unsichtbarer Gestalten hinter dem Reiter, dort draußen in der Dunkelheit. Er sah rasch weg.
    Von oben ertönte die klare Stimme der Alten Dame: »Wen wählt Ihr, das Urteil in diesem Widerspruch zu fällen, Herr der Finsternis? Denn Ihr habt das Recht zu wählen, wie das Licht das Recht hat, Eure Wahl anzunehmen oder abzulehnen.«
    Es entstand eine Pause. Plötzlich war der Reiter wieder deutlich zu sehen, den mit der Kapuze verhüllten Kopf Merriman zugewandt.
    »Wir wählen den Mann John Rowlands«, sagte er.
    Merriman sah zu Will hinunter; er sagte nichts, weder laut noch in der stummen Sprache der Uralten, aber Will spürte seine Unentschlossenheit. Er selbst hatte den gleichen unbestimmten Verdacht —
was haben sie vor? —,
aber der fiel in sich zusammen wie eine Welle, die sich an einem Felsen bricht, als er an John Rowlands dachte und an die vielen Gründe, die sie hatten, seinem Urteil zu vertrauen.
    Merriman nickte. Er hob den Kopf mit dem zerzausten weißen Haar. »Einverstanden.«
    John Rowlands beachtete sie nicht.

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