Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
selbst, nicht über die Finsternis nachzudenken oder sie wenigstens nur als die gleiche Finsternis zu betrachten, in der der längst verstorbene Mann aus Cornwall sich den Hinweis ausgedacht hatte, dem sie jetzt folgten. Aber vielleicht lauerte in dieser Dunkelheit auch immer noch das Böse, das sich damals aus dem feindlichen Osten genähert und den Gral bedroht hatte, für den er so dringend ein Versteck gesucht hatte ... Vielleicht lauerte es auch ihnen da draußen auf ... Warum brannte kein Licht auf der Yacht der Withers'?
»Oh, hör auf damit«, sagte Jane laut.
»Was?«, sagte Simon überrascht.
»Nichts ... ich hab mit mir selbst geredet ... Oh gut, da ist die Glocke, komm.«
Mrs Palk, die die vollen Teller aus der Küche brachte und die leeren wieder hinaustrug, war in mütterlicher Stimmung. Großonkel Merry sagte ihr, dass sie am äußeren Hafen im Dunkeln fischen wollten, und sofort erklärte sie sich bereit, Thermosflaschen mit heißem Kaffee und Schnittchen in der Küche für ihre Rückkehr bereitzustellen. Aber sie wollte nichts davon hören, dass Barney mitging.
»Mit diesem Sonnenbrand gehst du nirgendwohin, mein Herzchen, das wäre absolut unvernünftig. Du bleibst hier bei mir und gehst schön früh zu Bett, das ist bei weitem das Beste. Wenn du nach draußen gehst, kriegst du Blasen und kratzt dir die Haut auf, und dann liegst du morgen im Bett, statt draußen in der Sonne zu sein, und das willst du doch nicht.«
»Es würde mir gar nichts machen«, sagte Barney halbherzig. Mrs Palk hatte ihm Zinksalbe auf die sonnenverbrannten Beine geschmiert, aber sie waren immer noch wund und empfindlich, und obwohl er den Schmerz zu verbergen suchte, musste er doch bei jedem Schritt leise wimmern. Außerdem war er nach dem Tag in der frischen Luft, nach all dem Laufen und Schwimmen sehr müde.
Großonkel Merry sagte: »Ich glaube, es wäre das Beste, Barney. Wenn wir zurückkommen und du bist noch wach, erzählen wir dir alles.«
»Das werden Sie nicht«, sagte Mrs Palk. Sie behandelte Großonkel Merry trotz ihres Respekts für den »Professor« mit genau der gleichen gutmütigen Strenge, die sie gegenüber Simon und Jane und Barney zeigte. »Er wird lange und gut und ungestört bis morgen früh schlafen und dann wird er frisch wie ein Gänseblümchen aufwachen und es tut ihm nichts mehr weh. Und dann kann er immer noch alles erzählt bekommen.«
»Mrs Palk«, sagte Großonkel Merry ganz zahm, »Sie sind eine gute Seele und erinnern mich überwältigend an meine alte Kinderfrau, die mich nie nach draußen gehen ließ, ohne dass ich die Überschuhe anzog. Nun, Barnabas, ich meine ...«
»Schon gut«, sagte Barney traurig. »Ich seh's ein. Ich bleibe hier.«
»So ist's recht.« Mrs Palk strahlte. »Ich geh und mach dir was schön Heißes zu trinken, bevor du zu Bett gehst.« Sie watschelte aus dem Zimmer.
»Ihr habt Glück«, sagte Barney neidisch zu Simon und Jane. »Ich wette, ihr findet alle möglichen wundervollen Hinweise, wenn ich nicht dabei bin. Es ist nicht fair.«
»In Wirklichkeit hast du heute Abend die wichtigste Aufgabe«, sagte Simon beschwörend, »und auch die gefährlichste. Wir finden, dass es zu gefährlich wäre, die Karte mitzunehmen, sie wird also hier in deiner Obhut bleiben. Vielleicht musst du sie sogar mit deinem Leben verteidigen — falls die Einbrecher zurückkommen.«
»Oh, sei doch still!«, sagte Jane erschrocken.
»Mach dir keine Sorgen, das ist nicht sehr wahrscheinlich«, sagte Großonkel Merry und erhob sich. »Aber du hast eine große Verantwortung, Barney, du hast also durchaus deinen Anteil an der Unternehmung.«
Barney wusste nicht recht, ob er sich wichtig oder bemitleidenswert vorkommen sollte, aber er ging gehorsam zu Bett. Als die andern in die Dunkelheit hinaustraten, sahen sie sich um und erblickten hinter einem der Fenster im ersten Stock sein weißes Gesicht und eine schattenhafte Hand, die ihnen zum Abschied zuwinkte.
»Puh, es ist kalt«, sagte Jane. Sie zitterte ein wenig, als sie die Straße hinaufstiegen, die vom Dorf wegführte.
»Wenn wir erst ein Stück gegangen sind, wird dir wieder warm«, sagte Großonkel Merry. Er hatte darauf bestanden, dass sie unter ihren Mänteln Pullover und Schals anzogen, und sie waren ihm jetzt dankbar dafür.
»Alles kommt mir so schrecklich groß vor«, sagte Simon plötzlich. Unwillkürlich sprachen sie ganz leise, denn in der Dunkelheit war nichts zu hören als das leise Geräusch ihrer eigenen Füße.
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