Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
jetzt näher, als käme er von der anderen Seite der Landzunge: ein einsamer, unmenschlicher, trostloser Laut. Jane hatte alles vergessen, sie wusste nur, dass sie hier einsam in der Finsternis stand. Die Angst ließ sie verstummen, es war, als erhöbe sich eine riesige Welle drohend über ihr und sie könnte ihr nicht ausweichen. Wäre die Schwester nicht neben ihm gewesen, hätte Simon sich ebenso wie sie von der Angst lähmen lassen. Aber er atmete tief ein und ballte die Fäuste.
»Er war eben noch da drüben«, sagte er und schluckte. »Komm.« Er bewegte sich jetzt auf die anderen stehenden Steine zu, die in der Finsternis kaum zu sehen waren.
»Oh nein!« Janes Stimme wurde schrill vor Angst, sie klammerte sich an seinen Arm. »Geh nicht dorthin.«
»Sei nicht blöd, Jane«, sagte Simon kühl, es klang viel mutiger, als er sich fühlte.
Überraschend schrie jetzt eine andere Eule, sie kam von der anderen Seite, vom Ende der Halbinsel her. »Oh«, sagte Jane unglücklich. »Ich möchte nach Haus.«
»Los, komm«, sagte Simon noch einmal. »Er muss da drüben sein. Ich vermute, dass er uns nicht hören kann, der Wind wird immer heftiger.« Er nahm Jane bei der Hand und widerwillig ging sie mit ihm auf die drohenden dunklen Gestalten der stehenden Steine zu. Der Mond erlosch und verschwand in den Tiefen einer großen Wolke und nur der matte Schein der Sterne ließ undeutliche Umrisse erkennen. Vorsichtig tappten sie durch das Dunkel, in Angst, jeden Augenblick mit etwas Unsichtbarem zusammenzustoßen; nur die verzweifelte Hoffnung, ihren Großonkel plötzlich an ihrer Seite zu finden, bewahrte sie davor, in kopflose Angst zu geraten. Nun, da er nicht mehr da war, kam er ihnen vor wie eine sehr starke und notwendige Zuflucht.
Sie befanden sich jetzt mitten zwischen den stehenden Steinen und konnten die schwarzen Felssäulen, die rund um sie emporragten, eher fühlen als sehen. Der Wind kam in Stößen und raschelte im Gras und wieder hörten sie unter sich aus dem Dunkel den Schrei der Eule. Langsam bewegten sie sich nebeneinander voran und spähten ins Dunkel. Dann wurde die zerfetzte Wolke wieder silbern, der Mond kam durch die fliegenden Schleier an ihrem Rand gesegelt, und in diesem Augenblick wurden sie eine hohe Gestalt gewahr, die da aufragte, wo vorher kein Stein gewesen war.
Sie schien sich im wehenden Wind zu verbreitern, sodass sie plötzlich merkten, dass dies kein Stein war, sondern die hohe Gestalt eines ganz in Schwarz gekleideten Mannes, dessen Umhang im Wind flatterte. Als er sich ihnen jetzt zuwandte, sahen sie die Augen unter den vorspringenden dunklen Brauen und ein Aufblitzen weißer Zähne. Aber das war kein Lächeln, was sie da sahen. Jane schrie erschreckt auf und verbarg ihr Gesicht an Simons Schulter.
Dann hatte sich wieder eine Wolke vor den Mond geschoben und die drohende Dunkelheit schien von allen Seiten auf sie einzustürzen. Ohne ein Wort wandten sie sich um und rannten, stolperten in Panik bergab, weg von den schweigenden stehenden Steinen, bis sie endlich den Ruf der vertrauten dunklen Stimme hörten. Atemlos, aber wie befreit, blickten sie auf und erkannten Großonkel Merry, dessen Gestalt sich vom helleren Hintergrund der See abhob und der vor ihnen auf dem Pfad stand.
Sie stürzten auf ihn zu und Jane schlang die Arme um ihn und schluchzte vor Erleichterung. Simon hatte eben noch genug Selbstbeherrschung, um es ihr nicht nachzutun. »Oh Gummery«, sagte er außer Atem, »wir konnten dich nirgendwo finden.«
»Wir müssen schnell von hier fort«, sagte sein Großonkel leise, aber in drängendem Ton. Er hielt Jane an sich gedrückt und streichelte ihren zuckenden Hinterkopf. »Ich habe nach euch ausgeschaut. Ich wusste, dass mit diesen Eulenrufen etwas nicht stimmte. Kommt schnell.«
Mit einer schnellen Bewegung bückte er sich und hob Jane auf, als wäre sie ein kleines Kind, und dicht gefolgt von Simon schritt er den Hügel hinunter. Dabei folgte er dem Pfad, den sie im Mondlicht, das immer wieder durch die treibenden Wolken brach, eben noch erkennen konnten.
Simon keuchte, während er weiterlief: »Da oben war ein Mann. Wir haben ihn ganz plötzlich aus dem Dunkel auftauchen sehen. Er war ganz in Schwarz und in einen großen Mantel eingehüllt, eine Art Umhang. Es war schrecklich.«
»Ich bin sie suchen gegangen«, sagte Großonkel Merry, »er muss an mir vorbeigegangen sein. Es waren auch noch andere da. Ich hätte euch nicht allein lassen dürfen.«
Jane, die
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