Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
zuvor entdeckt hatten. »Ich erinnere mich an diese komische Höhlung in der Seite.«
Jane, beruhigt vom nüchternen Ton seiner Stimme, trat zu ihm. »Ja, das ist er. Als wir von hier hinüberschauten, waren wir vollkommen auf einer Linie mit der Sonne und mit dem Felsen auf der anderen Landzunge, von dem wir ausgegangen waren. Komisch, man kann ihn jetzt nicht sehen. Ich hätte geschworen, dass der Mond ihn bescheint, so wie die Sonne es getan hat.«
»Der Mond steht an einer anderen Stelle über der See«, sagte Simon. »Komm, sieh dir den Schatten an, daran müssen wir uns halten.«
»Wie blöd«, sagte Jane, als sich wieder eine Wolke vor den Mond schob und sie wieder im Dunkeln standen. »Die Wolken werden dichter. Wenn sie nur endlich wegziehen würden. Der Wind hier oben ist auch viel stärker geworden.« Sie zog ihren Dufflecoat dicht um sich zusammen und wickelte den Schal fester um den Hals.
»Haltet euch nicht auf«, sagte Großonkel Merry plötzlich aus der Dunkelheit heraus. Er stand so im Schatten, gegen einen der anderen Steine gelehnt, dass sie nicht einmal seinen Umriss erkennen konnten. Jane fühlte schaudernd, wie ihre Angst zurückkehrte.
»Warum? Ist etwas?«
»Nein. Seht, da ist der Mond wieder.«
Die Nacht wurde wieder silbern, und als sie nach oben schauten, war es, als segelte der Mond durch die Wolken und nicht umgekehrt. Es schien, als bewegte er sich in glatter Fahrt über den Himmel und ließe zu beiden Seiten Wolkenknäuel und Wolkenfetzen hinter sich und rührte sich doch nicht von der Stelle.
Simon sagte in dumpfer Enttäuschung: »Er weist überhaupt nirgendwo hin.« Er starrte neben dem hohen Stein auf den Boden. Auf dem silbrig glänzenden Gras lag der Schatten, den der hoch stehende, helle Mond warf, und er wies wie ein stumpfer Finger von Kenmare Head weg auf den lang gestreckten dunklen Horizont über dem Inland, dort wo die Moore Cornwalls lagen.
»Vielleicht zeigt er auf ein Wahrzeichen, das wir nicht bemerkt haben«, sagte Jane unsicher und suchte mit dem Blick vergeblich die schattenbedeckten Hügel ab.
»Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Mann aus Cornwall eine Landmarke benutzt hat, die zerstört worden, umgefallen oder verwittert ist. Die Gefahr hatte immer bestanden. Und das würde bedeuten, dass wir nie weiterkommen als bis hierher.«
»Aber das hätte er nie getan, das weiß ich bestimmt.« Jane blickte wild um sich, in die Nacht hinaus, in den Wind, der in Stößen über das kahle Vorgebirge fuhr. Dann stand sie plötzlich still und starrte. Von ihrem Platz neben dem großen Stein, der den einzigen sicheren Hinweis bildete, hatte sie das Gesicht dem Mond zugewandt, der hoch über dem Kamm von Kenmare Head bewegungslos stand und doch zu rasen schien, und sie sah zum ersten Mal den silbernen Pfad, den sein Licht über die See zog.
Wie ein Pfad aus der Vergangenheit und ein Pfad in die Zukunft führte die lange weiße Straße des Mondlichts pfeilgerade über die Wasseroberfläche auf sie zu. Ihre Ränder tanzten und glitzerten, wenn die Wellen sich im Wind hoben und senkten. Und dort wo die Straße endete, an der Spitze von Kenmare Head, stand eine klare schwarze Silhouette vor dem durch das Meer reflektierten Mondschein.
Jane sagte mit heiserer Stimme zu Simon: »Schau!«
Er wandte sich um und schaute, und gleich darauf wusste sie, dass er ebenso sicher war wie sie selbst, dass es das war, was sie finden sollten.
»Es sind die Klippen am Ende der Landzunge«, sagte sie. »Sie müssen es sein. Er ging davon aus, dass wir hier an diesem Stein stehen würden, und diesmal sollte uns nicht der Schatten, sondern das Mondlicht den Weg weisen.«
»Und das tut es jetzt.« In Simons Stimme klang wieder die alte Jagdleidenschaft. »Und wenn er das mit den Zeichen gemeint hat, die zu- und abnehmen, aber nicht vergehen, dann muss der Gral irgendwo in diesem Haufen von Felsbrocken verborgen sein. Vergraben an der Spitze von Kenmare Head. Oh Gott — Gummery, wir haben es gefunden!« Er wandte sich dem mächtigen schweigenden Kreis der stehenden Steine zu — dann zögerte er. »Gummery?«, sagte er unsicher.
Jane trat schnell an seine Seite. Als sie aus dem Schutz des Steins heraustrat, blies ihr der Wind ihren Pferdeschwanz ins Gesicht. Sie rief jetzt lauter: »Gummery, wo bist du?«
Es kam keine Antwort als das Seufzen des Windes, das jetzt so laut war, dass es das ferne Murmeln der See übertönte. Wieder hörten sie den heiseren Klageruf der Eule, er klang
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