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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Während sie schnell davonfuhren, sah Arkady, dass sich das Mädchen auf dem Hügel hinter ihrem Maschinengewehr aufrichtete, sich den schmerzenden Rücken massierte und ihre Hüfte nach einer Seite reckte wie eine schwangere Frau.
    Es dauerte neunzig Minuten, bis sie die Landepiste erreichten, die Scheich Yassin ihnen beschrieben hatte, aber schon einen Kilometer hinter dem Grenzübergang schloss sich ihnen seine Sicherheitseskorte an – zwei Limousinen amerikanischer Bauart aus jüngerer Zeit mit verspiegelten Fenstern. Als sie von der Fahrbahn und durch das stacheldrahtgekrönte Tor der Landepiste fuhren, wurden sie angehalten, durchsucht und in einen Hubschrauber ohne jede Aufschrift gepackt. Osnat ließ die ganze Prozedur mit einer Gleichgültigkeit über sich ergehen, die an Langeweile grenzte.

    Sie blieben fast vierzig Minuten in der Luft. Und mit jeder Sekunde, die sie unbehelligt durch den palästinensischen Luftraum flogen, bekam Arkady immer mehr Angst vor dem Mann, dem Mosche ihn für eine Zeitspanne und unter Verhörbedingungen anvertraut hatte, die nach seinem Wissen keine Grenzen hatten.
     
    Der Hubschrauber setzte schließlich auf einer behelfsmäßigen Landeplattform mitten auf einem unkrautüberwucherten Parkplatz auf, der so groß wirkte, als könne man sämtliche noch auf der Welt existierenden Autos darauf abstellen.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Arkady.
    Osnat streckte nur einen Finger aus. Arkady schaute in die Richtung und sah ein verrostetes und verdrecktes Schild, das wie einer Artilleriestellung über dem Horizont aufragte:
    WILLKOMMEN IM GAZA CITY HYATT
PALÄSTINAS URLAUBSPARADIES NUMMER EINS!
    Als Arkady das Hotel selbst sah, war sein erster Gedanke, dass man es vermutlich in einer friedlicheren Zeit gebaut hatte. Der fast durchsichtige Pavillon aus Glas und Stuck war stückweise durch gepanzerte Rolladen und verspiegeltes Plexiflex ersetzt worden, das die äußere Welt mit der verschwommenen, unterwasserartigen Qualität reflektierte, die ein sicheres Zeichen für kugelsichere Materialien war.
    Zwei riesige Ungetüme flankierten den Haupteingang des Hotels. Geflügelte Fabelwesen, deren breite Brustkästen sich zu rätselhaften, lächelnden Gesichtern emporwölbten, umrahmt von schweren Steinlocken, die sie – für Arkady – wie die Racheengel der Chassidim aussehen ließen. Eine der beiden Statuen war mit Kugel- und Schrapnelleinschlägen übersät. Die andere war in einem so makellosen Zustand, dass Arkady sich für einen Moment fragte, ob sie nicht eine Fälschung war.

    An der Tür war ein Sensor angebracht. Als Arkady vor die verspiegelte Tafel trat, glitt sie auf verborgenen Schienen zur Seite, und unversehens stand er Scheich Yassin gegenüber.
    »Gefallen Ihnen meine Wächter?«, fragte Yassin. »Sie stammen aus Bagdad. Bevor man euch erfunden hat, haben wir uns Ungeheuer so vorgestellt.«
    Das Foyer wurde von einem riesigen Brunnen dominiert, dessen Kernstück aus einer massiven Kalksteinzikkurat bestand, die mitten aus einem spiegelnden Teich aufragte, der so stark chloriert war, dass es in den Augen brannte. Aus verborgenen Düsen an der Spitze der Zikkurat strömte Wasser. Als der Brunnen noch neu gewesen war, musste das Wasser glatt über die Stufen der Zikkurat geflossen sein und die Illusion eines ganz aus Wasser bestehenden Gebildes erzeugt haben. Aber mit der Zeit war die Kalksteinverkleidung abgetragen worden und hatte den Stahlbeton unter der dünnen, prachtvollen Fassade enthüllt. Und heute rann das Wasser in einer komplexen Folge gebrochener Fraktale über die ruinierte, rostfleckige Oberfläche.
    Arkady sah zu Osnat hinüber. Sie war fasziniert von dem Wasser, starrte es mit leicht gebleckten Zähnen an, was Ekel, Fassungslosigkeit oder beides ausdrücken mochte.
    Wasser ist Macht , hatte Korchow gesagt. Auf diesem Planeten ist Wasser die einzige Macht, die zählt.
    Korchow hatte Arkady gesagt, dass die Einkünfte aus saudischem Öl es Yassins Urgroßvater und Ururgroßvater ermöglicht hatten, die Universität von Oxford zu besuchen, zumindest laut Yassins Version der Familiengeschichte. Aber der Öl- und Oxford-Mythos wurde nur am Leben erhalten, um die königliche Abstammung der Familie zu betonen. Die wahre Ölaristokratie des Nahen Ostens war mit dem allgemeinen Zusammenbruch der irdischen Industriewirtschaft untergegangen. Der Großvater des Scheichs hatte das Familienvermögen mit einer Art von flüssigem Gold erwirtschaftet
– oder

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