Lichtjagd
was die Stromversorgung anging.
Er schien unter dem falschen Eindruck zu stehen, dass sie Journalisten von außerhalb der Erde waren – ein Irrtum, den Osnat nicht zu korrigieren versuchte.
»Sie werden verstehen«, sagte er ihnen, »dass es nicht immer möglich ist, für Ihre Sicherheit zu garantieren, wenn Sie Palästina betreten. Natürlich werden Sie nicht von uns bedroht, sondern von den Zionisten …« Er ließ den Satz in ein vielsagendes Schweigen münden.
»Stempeln sie jetzt endlich unsere verdammten Visa ab«, sagte Osnat. »Oder sollen wir den ganzen Tag hier stehen?«
Der Mann sah sie für einen Moment mit zusammengekniffenen Augen an. Dann stempelte er ihre Pässe, warf die Zollformulare darauf, klopfte den ganzen Papierstapel zusammen und gab ihn Arkady.
»Ich nehme sie an mich, vielen herzlichen Dank.« Osnat riss Arkady die Papiere aus der Hand und ließ sie in derselben Tasche verschwinden, aus der sie sie hervorgeholt hatte.
Drei Wachposten bewachten den Grenzübergang. Sie waren alle weiblich, alle jung und, soweit Arkady erkennen konnte, alle hübsch unter ihren Jilabs . Zwei von ihnen standen vor dem Schlagbaum. Die dritte stand auf einem kleinen Hügel über der Straße und klebte mit den Augen am hochauflösenden Visier eines auf einem Dreifuß montierten Maschinengewehrs.
Eins der Mädchen vor dem Schlagbaum trug auf dem Ärmel einen krumm und schief aufgenähten Oberleutnant-Balken. Sie fragte erst auf Arabisch, dann auf UN-Standardspanisch nach ihren Papieren, las mit äußerster Sorgfalt
das Kleingedruckte, steckte den Kopf ins offene Wagenfenster, um sie beide anzustarren, und zog sich dann in das behelfsmäßige Wachhäuschen zurück.
Zwei Minuten vergingen, dann fünf, dann zehn. Einmal machte Arkady den Fehler, dass er aufblickte und dem zweiten Mädchen in die unbewegten Augen sah. Danach hielt er den Blick eisern auf das Armaturenbrett vor ihm gerichtet.
Sie hörten die Enderbots, lang bevor sie sie sahen. Und als sie sie schließlich sahen, hatte die Masse von Soldaten etwas ernüchternd Monotones. Bis man ihre Augen sah. Die Augen waren entsetzlich.
»Kämpfen diese … diese Dinger etwa gegen Zivilisten?«, fragte Arkady.
»Es sind keine Kampftruppen, sondern Besatzungstruppen. Dafür wurden Sie überhaupt erst entwickelt. Armeen eignen sich nicht gut für Polizeiarbeit. Und eine entsprechende Ausbildung hilft auch nicht viel weiter. Wenn man einem Haufen Teenager Sturmgewehre in die Hand drückt und ihnen die Verantwortung über unbewaffnete Zivilisten überträgt, stellt man fest, dass einige dieser Teenager keine besonders netten Menschen sind. Und selbst die netten sind verängstigt. Und Angst macht einen sehr schnell schießwütig. EMET hat dem ein Ende gemacht. Das System hat keine Angst. Es ist nicht boshaft. Es wird nicht zum Schläger. Es gerät nicht in Panik. Es macht einfach seine Arbeit. In dem Jahr, als EMET online ging, sind die Verluste der IFD an der Grünen Grenze um zwanzig Prozent zurückgegangen und die gemeldeten zivilen Todesopfer um fast die Hälfte. EMET ist eine bessere, sauberere, menschlichere Methode, um eine Besatzung durchzusetzen. So ist zumindest der offizielle Tenor.«
»Aber du bist anderer Meinung.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich sehe die Vorteile. Aber ich sehe auch, dass es sehr viele Offiziere gibt – jedenfalls in den IAS, und ich nehme an, dass es auf dieser Seite der Grenze
genauso ist –, denen die Vorstellung gefällt, dass Soldaten nicht selber denken und sich keinen dummen Befehlen widersetzen und keinem Journalisten davon berichten, wenn die Generäle etwas verbockt haben.«
»Ist EMET nun gut oder schlecht?«
Osnat verdrehte in der engen Fahrzeugkabine den Oberköper und fischte etwas vom Boden hinter ihrem Sitz, das sich als Strandtuch herausstellte, das mit einem Schwarm fluoreszierender rosa Zeichentrickfische verziert war, die zwischen Fäden von neongrünem Seegras durch ein blaues und purpurrotes Meer schwammen. Sie schüttelte das Handtuch aus und beugte sich aus dem Fenster, um den gelben Khamsin -Staub vom Spiegel auf der Fahrerseite zu wischen.
»Beides, Arkady. Es gibt immer zwei Seiten. So funktioniert die Welt. Jeder, der etwas anderes sagt, versucht dir einen Bären aufzubinden.«
Schließlich klingelte im Wachhäuschen das Telefon, und der weibliche Leutnant wechselte ein paar kurze Worte mit einem unbekannten Gesprächspartner, kam nach draußen, gab ihnen ihre Papiere zurück und winkte sie durch.
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