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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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grausamen Wunder gesehen? Wo …«
    »Im Castro. Dort werden oft Syndikatsfilme gezeigt. Weil nämlich Leute wie du … na gut, wie auch immer, darum geht’s ja nicht. Meine Frage ist: Wird dieses Spinvideo als Kunst betrachtet?«
    »Hm … na ja, das Spinvideo nicht unbedingt. Aber es basiert auf einem berühmten Roman von Rumi.«
    Osnat legte die Stirn in Falten. »Rumi mit R? Von Rs habe ich noch nie gehört. Wie viele Serien habt ihr denn?«
    »Nein, nein. Es ist ein Pseudonym. Rumi war ein A-Klasse-Konstrukt des KnowlesSyndikats. Aus derselben Serie wie Andrej Korchow. Die ganze Serie ist manchmal … na ja … ein bisschen seltsam. Wie auch immer, er ist in erster Linie Lyriker, aber er hat auch einen berühmten Roman geschrieben. Und das Spinvideo, das du gesehen hast, ist eine sensationslüsterne und stark vereinfachte Version dieses Romans.«
    »Eine kommerzielle Version, meinst du.«
    »Tut mir leid, diesen Begriff kenne ich nicht.«
    »Populär.
    »Nun, jedenfalls war diese Fassung einmal populär.«
    »Aha. Am Ende des Films bringen der Held und seine Geliebte sich doch um, nicht?«
    »Stimmt.«
    »Der Freund, mit dem ich mir den Film angesehen habe, hat behauptet, dass Spinvideos aus den Syndikaten immer so
enden. Am Anfang bekämpfen die Helden einander, dann verlieben sie sich, schließen mit ihren Geliebten einen Selbstmordpakt und bringen sich am Ende um.«
    Das gibt Rumis Roman etwas verkürzt wieder, dachte Arkady. Aber er musste zugeben, dass es eine recht treffende Wiedergabe eines durchschnittlichen Syndikatsfilms war.
    »Und meine Frage ist«, sagte Osnat, »warum tun sie das? Warum müssen sie sich immer umbringen? Warum schaut ihr euch dieses Zeug so gern an?«
    »Na ja, es scheint doch auch Menschen zu geben, die diese Filme gern sehen«, erwiderte er. »Warum fragst du die nicht?«
    Sie sah ihn mürrisch an, als ob er ihre Geduld strapazierte. »Sie schauen sich das Zeug an, weil man entweder blind oder tot sein muss, wenn man nicht sehen will, wie sich dieser Aziz-Ahmed auszieht.«
    »Dazu kann ich nichts sagen«, sagte Arkady trocken. »Mein Typ ist er nicht.«
    Osnat überhörte den Scherz und bohrte weiter. »Ich will wissen, warum ihr euch diese Filme anschaut. Geht euch einer ab, wenn in Filmen Leute abgemurkst werden? Oder ist das eine Art von Regierungspropaganda, die euch davon überzeugen soll«, sie ließ die Stimme zu einer recht passablen Imitation des maskulinen Ahmed-Tonfalls sinken, »dass das Wohl der Allgemeinheit ein schöneres Ideal ist als die vergebliche Suche nach einem egoistischen individuellen Glück?«
    »Es gibt viele menschliche Liebesgeschichten, die so enden«, protestierte Arkady. »Denk nur an Romeo und Julia .«
    »Ja, aber in Romeo und Julia geht es darum, dass die Fehde ihrer Familien dumm und sinnlos war und sie dem Glück der jungen Menschen nicht hätten im Weg stehen dürfen.«
    »Tatsächlich? Ich kann mich nicht erinnern, dass Shakespeare das je gesagt hat.«
    »Spiel nicht den Klugscheißer. Es ändert nichts an der Sache, dass du, falls du je zu deinem teuren Arkasha zurückkehrst,
bestenfalls auf zwanzig weitere Jahre der Trennung hoffen kannst, bevor der zuständige Verwaltungsausschuss – sofern ihr beide anständig seid, niemanden vor den Kopf stoßt und die Bürgerrechte erwerbt – euch vielleicht einmal, aber auch nur vielleicht, die Erlaubnis erteilt, zusammen sein zu dürfen.«
    »So wie du es sagst, klingt es … völlig trostlos.«
    »Wirklich?« Sie grinste. »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das je gesagt habe.«
    »Verträge über dreißig Jahre und vorübergehende Arbeitsduos sind keine Resultate eines kleinliches Familiengezänks über die Mittel der genetischen Produktion, Osnat. Wir kämpfen nicht um ein größeres Stück vom Genomkuchen. Wir kämpfen um unser Überleben als Spezies. Ihr beklagt euch doch immer darüber, dass ihr in den Ruinen eines verwüsteten Planeten leben müsst. Nun, wir haben nicht einmal Ruinen. Wir treiben ohne ein Rettungsboot draußen durch den Weltraum. Jede Charge in einer Brutstation, jede genetische Modifikation, jede Terraforming-Mission – und, ja, auch jedes Ausleseverfahren und jede Renormierung – werden von den kalten Gleichungen des Überlebens und Aussterbens diktiert. Und eine kurze Nachlässigkeit oder Unaufmerksamkeit könnte ausreichen, um das Pendel in Richtung Aussterben schwingen zu lassen. Du kannst darüber die Nase rümpfen, soviel du willst, aber das ist die Realität.

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