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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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kühle, kompetente, leidenschaftslose Profi. Der plötzliche Wechsel seiner Attitüde hatte fast etwas Vornehmes, als wollte er Arkady warnen, dass es Zeit wurde, auf der Hut zu sein und sein Pokerface aufzusetzen.
    »Äh … Im Moment fällt mir nichts ein.«

    »Na gut. Keine Eile. Wenn Ihnen später etwas einfällt, irgendetwas, dann zögern Sie nicht, mich zu fragen, ja?«
    »In Ordnung.«
    »Legen wir erst einmal die grundsätzlichen Regeln fest. Ich weiß, dass ein Anzahl von Leuten Sie in jüngster Zeit befragt haben, und nach Ihrer äußeren Erscheinung zu urteilen, sind einige nicht sehr rücksichtsvoll gewesen. Sie wirken auf mich, um offen zu sein, als seien Sie durch die Hölle gegangen. Deshalb möchte ich Ihnen gleich sagen, dass Sie mit einer solchen Behandlung von mir nicht rechnen müssen. Dieses Verhör – und es ist ein Verhör; wir brauchen uns nicht vorzumachen, dass wir Freunde sind, die nur ein bisschen plauschen – dieses Verhör wird mühsam und vermutlich auch lang und sicherlich eine Zumutung für Sie sein. Aber mehr auch nicht. Ich halte nichts von Gewaltanwendung. Mein Metier sind Informationen. Ich hoffe, dass Sie mir wahrheitsgemäße Informationen geben werden, aber wenn nicht … nun, Lügen sind ebenso eine Information wie die Wahrheit. Und außerdem«, an dieser Stelle ein kurzes Aufblitzen seines unprofessionellen Lächelns, »werden Sie mich nicht belügen, denn früher oder später würde ich Ihnen auf die Schliche kommen, und das wäre für uns beide peinlich.«
    Und dann begann, mit den Scherzen, dem selbstironischen Lächeln und den humorvollen Nebenbemerkungen, die Arkady mit der Zeit als den Kern von Gavis Wesen erkannte, das eigentliche Verhör.
    Gavis Verhörmethode, wenn man sie so nennen konnte, bestand darin, dass er Arkady durch seine eigene Geschichte führte, immer wieder Fragen stellte, nachhakte, um Einzelheiten, Daten, Namen und endlose Klarstellungen bat. Und die ganze Zeit hörte Gavi zu, verschränkte die Arme und überschlug die Beine, beugte sich vor und nickte verständnisvoll, schien in sich zusammenzuschrumpfen, bis es den Anschein hatte, als gäbe es auf der anderen Seite des Tisches nichts als diese flüssigen schwarzen Augen. Es war, als ob
Gavi sich zurücknahm – zur abstrakten Idee eines Zuhörers wurde –, damit Arkadys Sicht, Arkadys Erinnerungen, Arkadys Vision der Geschehnisse auf Novalis ihr gemeinsames Universum in Anspruch nehmen konnte.
    Und gelegentlich schaltete er sich dann ein – nie aufdringlich oder angriffslustig, nur neugierig –, um die Frage zu stellen, die einen neuen Erinnerungsfaden löste, zu einer neuen Folge von Fragen führte, vergangene Worte in einem neuen und enthüllenden Licht erscheinen ließ, Bedeutungen, Situationen und Schlussfolgerungen so weit einengte, dass Arkadys Geschichte die kristallene Klarheit einer mathematischen Gleichung annahm.
    Wenn Arkady weiterhin versucht hätte, Korchows sorgfältig fabrizierte Lügen zu verkaufen, wären die Auswirkungen verheerend gewesen. So wie die Dinge lagen, hielt er die Mühe jedoch für vergebens.
    »Ich lüge Sie nicht an«, platzte er schließlich heraus. »Ich bitte um Ihre Hilfe. Was kann ich tun, damit Sie mir glauben? «
    »Ich glaube Ihnen bereits«, sagte Gavi und unterstrich seine Worte mit einem seiner entwaffnenden Lächeln. »Sie hatten mich nach den ersten fünf Minuten überzeugt. Ich glaube aber auch, dass Mosche recht hat.« Sie hatten sich um, durch und auf die andere Seite von Mosche gearbeitet. »Sie wissen sehr viel mehr über Novalis, als Sie glauben. Um ehrlich zu sein, hoffe ich, wenn Sie sich mit meiner Hilfe weiter durch die Geschichte arbeiten, sie noch einmal von Grund auf durchdenken, aus frischen Blickwinkeln betrachten, werden Sie einen dieser Aha-Momente erleben, und wir werden in der Lage sein, einige der Dinge, die Sie nicht zu wissen glauben, ans Tageslicht zu holen. Sehen Sie das auch so?«
    »Ich glaube schon, aber …«
    »Aber was?«
    »Mir ging gerade eine Frage durch den Kopf, die ich Ihnen gern stellen würde.«

    »Fragen Sie nur.«
    »Sind Sie Absalom?«
    Gavi erstarrte für einen Moment, dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und warf Arkady einen schrägen Blick zu, der zugleich amüsiert, herausfordernd und anerkennend wirkte.
    »Nein. Aber ich habe keinen Beweis dafür. Und außerdem«, Gavis Lippen verzogen sich zu einem schiefen, gequälten Lächeln, und wieder spürte Arkady den scharfen Stich des Verlustes, der

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