Lichtjagd
Job, den sie gemeinsam erledigt hatten, jede Kleinigkeit, die Cohen auch nur an ihn erinnerte. Und es würde der virtuellen Ökologie
von Cohens verschachtelten Agenten- und Netzwerkhierarchien auf eine Weise Schaden zufügen, die er weder vorhersagen noch auf irgendeine Weise abwenden konnte.
Die einzige Cohen bekannte Person, die ihren Erinnerungen derart Gewalt angetan hatte, war Li. Sie hatte es getan, um der konzernbetriebenen Hölle der Bose-Einstein-Bergwerke zu entkommen. Und sie versuchte immer noch, das gähnende Loch zu übertünchen, das sie dort mit sich herumtrug, wo die meisten Menschen die Erinnerungen an ihre Familie, Freunde und Kindheit hatten.
»Tu es«, sagte Gavi.
»Nein.«
»Ich befehle es dir.«
»Ich bin keine Textverarbeitung. Ich akzeptiere keine Tastaturprogrammierung. «
»Dann lass mich mit dem Router/Decomposer sprechen. Er wird im Gegensatz zu dir begreifen, dass es vernünftig ist.«
»Auf gar keinen Fall!« Auf einmal mündeten Cohens ganze Demütigung und Qual in einen Wutanfall. »Wie kannst du es wagen, ihn da reinzuziehen? Es ist nicht seine Entscheidung! «
Er konnte spüren, wie der Router/Decomposer innerlich an den Gitterstäben rüttelte und darauf bestand, dass es doch seine Entscheidung war, zumindest teilweise. Und es ging irgendetwas vor unter der Oberfläche seines üblichen Logik-Geplappers. Etwas, das die DARPA-Programmierer in Cohen hineingequetscht hatten, als er sich noch auf dem Stand der psychologischen Entwicklung des Router/Decomposers befand, und das er selbst nie in jemand anderen hineinquetschen wollte.
Nun tat er es aber doch.
Dann drosselte er die Bandbreite des Router/Decomposers und kappte seinen gesamten nichtessentiellen Datenverkehr, um ihm eine Lektion zu erteilen. Schließlich war es
zu seinem eigenen Besten. Und warum musste unbedingt jeder seine kritischen Bifurkationspunkte in genau derselben Millisekunde erreichen? Warum konnten nicht alle mal ein bisschen auf die Bremse treten und ihn für ein paar Zyklen durchatmen lassen? Wer glaubten sie, dass sie waren? Götter?
»Mach das nie wieder«, sagte er zu Gavi. »Mein Gehirn wird nicht von einem Ausschuss verwaltet. Und ich bin beim besten Willen nicht in der Stimmung, tolerant zu sein.«
Eine widerhallende Stille, innen und außen.
Schließlich ließ Gavi die Schultern herabsacken. Die Haut in seinem Gesicht sah blutunterlaufen aus, und in seinen Augenwinkeln sammelten sich die Tränen, über die er vor ein paar kurzen Minuten noch so gespottet hatte. Dibbuk stand von ihrer Decke auf, winselte und presste die Nase zwischen seine Knie, bis er sie wegschickte und ihr befahl, sich wieder hinzulegen.
»Didi tut einfach, was er tun muss«, sagte Cohen. »So wie ich. Kannst du das nicht begreifen?«
»Natürlich.« Gavis Stimme fiel zu einem tief betrübten Flüstern ab. »Und es ist nicht deine Schuld. Es ist meine. Ich habe irgendwann einen Fehler gemacht. Einen dummen, trivialen, winzigen Fehler. Und ich werde den Rest meines Lebens zuschauen müssen, wie unschuldige Menschen dafür bezahlen. Gur ist tot. Osnat, eine der besten Agentinnen, die ich je ausgebildet habe, vergeudet ihr Leben damit, dass sie auf Honorarbasis Sicherheitsdienste anbietet, weil niemand jemandem trauen will, der auch nur in Spuckweite von Tel Aviv war. Und du machst dir Sorgen über mein Bein? Ich würde darüber lachen, wenn es nicht so furchtbar wäre!«
Cohen streckte eine Hand aus, aber Gavi wich vor ihm zurück.
»Und wie machen wir von jetzt an weiter?«, fragte er, als er den Eindruck hatte, dass Gavi wieder zum Reden zumute war.
»Nun, ich schätze, ich könnte genauso gut das tun, was Didi will, und mit Arkady sprechen. Wenn Didi so darauf drängt, kann man darauf wetten, dass er die Sache aus allen Blickwinkeln betrachtet hat und weiß, dass er sogar einen Verrat von mir in einen Vorteil für Israel wenden kann. Das sollte dir reichen. Es würde mir auch reichen, wenn ich in deinen Schuhen steckte. Was danach kommt … nun ja, das hängt davon ab, ob du mir vertraust oder nicht.«
»Sollte ich dir denn vertrauen?«
Ihr Blicke trafen sich lang genug, dass Cohen Angst, Schuld, Zweifel und Wut einander durch die schwarzen Tiefen von Gavis Augen jagen sehen konnte. Wenn man in diese Augen blickte, war es, als schließe man sich mit Gavis Seele kurz. Wie sollte auf dem Grunde all dieser nackten Klarheit eine Lüge lauern?
»Ich kann’s dir nicht sagen.« Gavi sah weg. »Ich kann nur für meine
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