Lichtjagd
Gesellschaft bereitet mir große Freude«, sagte Fortuné, »und ich hoffe, dass Sie und Cohen noch bis zum Abendessen bleiben werden – natürlich nicht hier, sondern in einem guten Restaurant. Ich kenne ein kleines Ein-Sterne-Restaurant in Haifa mit einem hübschen Koch und einem tadellosen foie gras . Aber bis dahin nehme ich an, dass es außer meinem Charme und meinem guten Aussehen noch einen anderen Grund für euren Besuch gibt? Was kann ich für euch tun?«
Cohen erläuterte kurz die Nachricht, die sie über die Grüne Grenze schicken mussten.
Fortuné sah ihn aufmerksam an, nickte, runzelte die Stirn und murmelte oui, oui, oui , wie es die Franzosen oft tun, um ihre Zustimmung zu signalisieren – oder zumindest ihre Aufmerksamkeit.
In diesem Fall war es nur seine Aufmerksamkeit. Als Cohen fertig war, lehnte Fortuné sich in seinen Stuhl zurück, und seine dunkle Haut verschmolz so sehr mit den Schatten, dass Cohen von ihm nur noch die blendend weißen Bügelfalten seiner Sommeruniform und das zerschrammte Edelstahlarmband seiner malträtierten Rolex erkennen konnte.
»Et pourquoi tu veux te compliquer la vie?« , fragte er. Warum wollt ihr euer Leben verkomplizieren?
Ja, warum eigentlich.
»Einem Freund zuliebe.«
»Ich hoffe, es ist ein guter Freund.«
»Der beste.«
Oder der schlechteste.
Denn in Wahrheit hatte Cohen immer noch nicht entschieden, ob er dies für Didi oder für Gavi tat. Und er setzte seinen Seelenfrieden auf einen einzigen Glaubenssatz: Wenn das ganze Hin und Her ausgestanden war, würden die beiden wieder auf derselben Seite stehen.
D as erste Anzeichen dafür, dass Cohens Nachricht ihren Empfänger erreicht hatte, sah Arkady in einer merklichen Verschärfung von Mosches ohnehin gut ausgebildeter Paranoia.
Mosche interpretierte das palästinensische Ersuchen um eine zweite Sitzung mit Arkady als Symptom für einen ernsten Sicherheitsverstoß. Osnat sah allmählich immer gehetzter aus. Ash Sofaer flog aus Tel Aviv ein, offenbar nur zu dem Zweck, um Arkady kühl anzustarren, einige unzusammenhängende Fragen zu stellen, Mosche minutenlang ins Ohr zu flüstern und wieder heimzufliegen.
»Du hörst das Gras wachsen«, sagte Osnat schließlich zu Mosche.
»Wenn ich das Gras wachsen höre«, erwiderte Mosche, »liegt es vielleicht daran, dass das Gras wirklich wächst.«
Indessen fragte Arkady sich ständig, was er angesichts der Offenbarung, die er beim Anblick von Gavis Flussdiagramm erlebt hatte, tun konnte, was er tun sollte .
Er war sich inzwischen völlig sicher, dass seine erste intuitive Eingebung richtig gewesen war. Korchows »genetische Waffe« war nur ein Köder, den er den Kaufinteressierten hingehalten hatte, um sie abzulenken. Das echte Virus infizierte die Käufer bereits jedes Mal, wenn sie Arkady anfassten, mit ihm redeten oder sich mit ihm im selben Raum aufhielten.
Arkady hatte die Zeichen selbst gesehen. Er hatte sie nur falsch gedeutet. Auf Arkady, der die strenge Medizin der Syndikatsimmunreaktionen gewohnt war, hatten die langsamer reifenden, diffuseren menschlichen Immunreaktionen wie leichte Allergien gewirkt, sonst nichts. Entweder verhielt es sich wirklich so, oder die Menschen waren noch nicht richtig krank geworden.
Zuerst war er über die Art, wie Korchow ihn benutzt hatte, einfach nur empört gewesen. Er hatte sich nie einverstanden erklärt, als eine Art interstellare Typhus-Mary eingesetzt zu werden. Es war eine Sache, wenn man darüber redete,
die Erde ins Chaos zu stürzen, um die Menschheit auf lange Sicht zu retten – aber zufälligerweise hatte Arkady einige dieser Menschen näher kennengelernt. Und die Idee, pockenverseuchte Wolldecken an Menschen wie Osnat und Gavi zu verschenken, gefiel ihm überhaupt nicht.
Nach und nach war seine Empörung jedoch von Angst überschattet worden. Eine zweite Erkenntnis war der ersten auf dem Fuße gefolgt, und hatte ihn wie das Nachbeben eines Erdbebens, das Gebäude einebnete, die nach dem ersten Erdstoß noch stehen geblieben waren, bis ins Mark erschüttert. Er hatte vier Monate auf Gilead verbracht, während Korchow und sein Team ihn verhörten. Während dieser Monate hatten Korchow und andere ihm an Tischen gegenübergesessen, gemeinsam mit ihm gespeist, Stunde um Stunde mit ihm verbracht. Wieder andere hatten sein Essen zubereitet, seine Kleidung und Bettwäsche gewaschen, die intime Entropie seines täglichen Lebens beseitigt. In der ständig zirkulierenden Luft einer
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