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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Safik, als habe er Arkady das Wort aus dem Kopf geklaubt. »Nicht die Fakten. Gavi hat Ihnen die Fakten bereits sehr viel besser entlockt, als ich das könnte.« Safik hatte einige Minuten lang das leere Blatt auf seinem Schreibtisch befingert. Nun drehte er es um, und auf der anderen Seite kam Gavis verwickeltes Flussdiagramm zu Vorschein. Als Arkady keuchte, lächelte er nur und zwinkerte verschwörerisch. »Falls es Sie interessiert, ich habe die Zeichnung nicht von Gavi. Ich wünschte, die Dummköpfe und Eiferer, die glauben, dass er für mich arbeitet, hätten recht. Wenn es darum geht, sich in Spiegellabyrinthen zurechtzufinden, kommt niemand an Gavi heran. Anderseits aber … manchmal stolpert Gavi über seine eigene Intelligenz. Und in Ihrem Fall habe ich das bohrende Gefühl, dass die Dinge in Wirklichkeit weniger kompliziert sind, als er sie erscheinen lässt.«
    »Ich habe Gavi alles gesagt«, sagte Arkady, der sich plötzlich müde und mutlos fühlte.
    »Dann erzählen Sie mir von Arkasha.«
    »Es gibt nichts mehr zu erzählen.«
    »Nicht einmal wenn ich Ihnen sage, dass wir möglicherweise bereit sind, ihm politisches Asyl zu gewähren?«
    »Das ist unmöglich.«
    »Warum?«
    »Weil Korchow ihn jetzt nicht aufgeben würde.«
    »Als Sie letzte Woche mit Gavi gesprochen haben, glaubten Sie noch, er sei dazu bereit. Was hat sich geändert?«

    Arkady schaute störrisch zu Boden.
    »Reden Sie mit mir, Arkady. Etwas nagt an Ihnen. Etwas, das noch nicht am Horizont aufgetaucht war, als Gavi mit Ihnen gesprochen hat. Was wissen Sie jetzt, das Sie lieber nicht wissen würden?«
    Safik griff nach seinen Zigaretten, warf einen Blick auf seine Armbanduhr, seufzte tief und schob sie wieder weg.
    »Ich werde Ihnen etwas erzählen, Arkady.« Safik stand auf, kam hinter dem Tisch hervor und setzte sich auf den leeren Stuhl neben ihm. »Etwas, das ich bisher nur meiner Frau erzählt habe. Nicht weil es unbedingt peinlich ist – zumindest nicht peinlicher als viele andere Dinge, die ich für mein Land getan habe. Aber wenn Sie erst in meinem Alter sind, werden Sie begreifen, dass nur ein Idiot oder ein Fanatiker längere Zeit in unserer Branche arbeiten kann, ohne … nun, ohne Zweifel zu empfinden. Schlimmer noch, wenn man ein auch nur halbwegs denkender Mensch ist, zieht man am Ende sogar seine eigenen Zweifel in Zweifel. Arbeitet man wirklich noch auf die großen und edlen Ziele hin, an die man einmal geglaubt hat, oder sind die Zweifel, die einen plagen, nur eine Art geistiges Händewaschen? Ein subtile Art von Selbstbetrug, der es einem erlaubt, sich die Nase zuzuhalten und schmutzige Arbeit zu tun, während man die ganze Zeit das Gefühl hat, dass man dabei nicht man selbst ist, dass man besser ist, empfindsamer, moralischer als das, was man hier tut.«
    Als Arkady nicht antwortete, seufzte Safik und fuhr fort.
    »All das ist mit mir geschehen, als ich in Ihrem Alter war, Arkady. Bevor mir Zweifel kamen. Ich war damals noch schlank, ob Sie’s glauben oder nicht, und sah einigermaßen gut aus. Behauptet meine Frau jedenfalls. Wie auch immer, ich mache Witze darüber, weil es keine sehr angenehme Geschichte ist. Um es kurz zu machen: Es ging um einen jungen Siedler, der eine unserer Patrouillen angegriffen hat, und mir wurde die Aufgabe übertragen, seine Mutter zu befragen.
Die Israelis verhielten sich natürlich recht kooperativ. Es war vor dem Krieg, und niemand hatte Interesse an dieser Art von freiberuflicher Tätigkeit.«
    Arkady bemerkte, dass Safiks Verhalten sich unmerklich verändert hatte. Am Ende jedes Satzes warf er kleine Blicke auf Arkady, als wollte er sich unbedingt vergewissern, dass Arkady jedes Wort verstand, das er sagte. Und es gab ein gelöschtes, aber weiter schwelendes Feuer hinter diesem gewöhnlichen Gesicht, das Arkady davon überzeugte, dass sich dieser Mann nicht kontrollieren ließ. Von niemandem.
    »Wie auch immer«, fuhr Safik fort, »da stand also diese Frau vor mir, die gerade ihren Sohn verloren hatte. Und ich – irgendein junger Schwachkopf, der nie verheiratet gewesen war, nie ein Kind gehabt hatte, von nichts eine Ahnung hatte – sollte sie befragen. Natürlich war das alles ein unverschämter und aufdringlicher Unfug. Mit wem war ihr Sohn befreundet gewesen? Wer hatte ihm die Waffen gegeben? Was hatte er gesagt, bevor er starb? Warum hatte er so etwas getan, wenn er den Hass auf uns nicht mit der Muttermilch eingesaugt hätte? Und so weiter und so fort. Es war natürlich

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