Lichtjagd
waren.
Li nahm die Hand, die Fortuné ihr hinhielt, und Cohen nahm an, dass sie ihn mit ihrem kraftvollsten, knochenbrechenden Händedruck begrüßte. Fortuné hielt sich ganz tapfer, aber schließlich war er auch bis zum Haaransatz verdrahtet, selbst wenn seine dunkle Haut das zarte subkutane Filigranwerk aus Keramstahlfäden versteckte.
»Ich bin ein großer Bewunderer von Ihnen«, sagte Fortuné, als er seine Hand aus Lis Griff befreit hatte. »Es ist mir ein Vergnügen und eine Ehre, die Heldin von Gilead zu begrüßen. «
»Manche nennen mich die Schlächterin von Gilead.«
Cohen war sich nie ganz sicher gewesen, wie aufmerksam Li die Berichterstattung über den Prozess vor dem Kriegsgericht verfolgt hatte. Jetzt glaubte er es endlich zu wissen.
»Manche vielleicht, aber ich nicht«, sagte Fortuné ruhig. »Man hat Sie für Verfehlungen verantwortlich gemacht, die
Leute in höheren Rängen begangen haben. Das war die Meinung der gemeinen Soldaten, als es passierte. Und daran hat sich nichts geändert.«
Li blinzelte, aber ihre Implantate waren so gründlich abgeschirmt, dass Cohen nicht im mindesten sagen konnte, was hinter ihren Augen vor sich ging.
Sie setzten sich. Fortuné trank einen Loreley, und auf einen Wink hin brachte ein Kellner im Handumdrehen zwei weitere Flaschen. Cohen nippte an dem herben, süßen Elsässer Bier und lächelte über den Geschmack aus Hyacinthes Jahrhunderte zurückliegender Jugend.
Li und Fortuné unterhielten sich über militärische Themen, Stationierungszeiten, turnusmäßige Ablösungen auf Planeten, Kampfabwürfe. Cohen, der nie Soldat gewesen war und auch nie den Wunsch danach verspürt hatte, ließ das Gespräch an sich vorbeiströmen wie ein Schwimmer, der sich in einer Strömung treiben ließ. Er war schlagartig wieder auf der Erde, als er hörte, wie Fortuné das Wort Anstellung über die Lippen kam.
»Ich bin nicht darauf aus, mich wieder zu binden«, sagte Li nach längerem Schweigen. »Und selbst wenn, was interessiert Sie das? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, arbeiteten Sie für den UNSR, genau wie ich.«
»Nur in sehr eingeschränktem Sinne, kann ich Ihnen versichern. «
»Auf wessen Seite stehen Sie denn sonst?«
Fortuné lächelte höflich. »Auf Seiten von La France, ma chère , der Verteidigerin der zivilisierten Welt.«
»Ist das das Gleiche wie die freie Welt, nur mit besserem Essen?«
Fortuné lachte, und Li gönnte ihm ihr umwerfendstes Lächeln. Sie hatte jede Menge Charisma, wenn eine Sache ihr der Mühe wert erschien. Und aus Gründen, über die Cohen nicht zu gründlich nachdenken wollte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass Fortuné ihren Charme wert war.
»Sie ist eine bemerkenswerte Frau«, sagte Fortuné, als sie aufstand, um neue Getränke zu holen.
Cohen wandte sich ihm zu. »Denk nicht einmal daran.«
»Mein Freund, ich bin weder reich noch attraktiv genug, um mich mit dir zu messen. Ich habe lediglich ein professionelles Urteil abgegeben.«
»Nun, auch das solltest du besser lassen.«
Fortunés Blick zuckte zur Bar, wo Li auf Zehenspitzen stand, um die verzierte Inschrift auf einer Kupferplatte unter dem Foto von Oberst Danjous Hand aufmerksam zu lesen. Cohen sah sie so, wie Fortuné sie sehen musste: straff, drahtig, übernatürlich wachsam, die Rechte aus Gewohnheit immer über dem Pistolenhalfter; die Waffe hatte sie an der wohl explosivsten Garderobe im Heiligen Land bei einem starrgesichtigen Ex-Unteroffizier zurückgelassen. Sie sollte eine Division kommandieren , dachte er schuldbewusst, nicht meine Babysitterin spielen. Er würgte den Gedanken ab.
»Sie ist im Ruhestand«, sagte er zu Fortuné. »Ein Jammer.« Fortuné betrachtete Lis kerzengeraden Rücken. »Aber falls sie es sich einmal anders überlegen sollte …«
»Bestimmt nicht.«
Aus den summenden Lautsprechern tönte auf einmal die Interpretation eines Liedes, das in der Evakuierungsära zur de facto Hymne der Fremdenlegionäre geworden war, und einige der betrunkenen Soldaten an der Bar sangen den berühmten Refrain mit:
Je voulais quitter la terre, mais maintenent je la regrette J’ai plus le mal du pays, j’ai le mal de la planète …
Ganz plötzlich fand Cohen dieses Lied traurig vielsagend. Eine Ansammlung von Kolonisten, die über ihr Heimweh nach einem Planeten sangen, den sie in der Sprache eines Landes, das nur als romantische Idee und eine diplomatische
Vertretung im Ring existierte, niemals ihre Heimat genannt hatten.
»Ihre
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