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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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überstanden hatte – bis er sie im Orbseiden-Garten arbeiten sah. An diesem Punkt wich das Rätsel, warum man sie nicht aussortiert hatte, dem nicht minder großen Rätsel, warum man eine derart hochbegabte Seidenspinnerin aufs soziale Abstellgleis einer langfristigen Erkundungsmission abgeschoben hatte. Aber wie auch immer. Unabhängig von den Gründen musste er sich auf dieser Reise zumindest keine Sorgen um defekte Solarsegel oder Luftverlust aufgrund von beschädigten Lukenabdichtungen machen.

    Bellas Duopartnerin dagegen wäre ein gesundes Maß an Schüchternheit durchaus bekommen. Die Herrische Bella war eine Seltenheit in der Syndikatsgesellschaft und im besiedelten Weltraum generell: eine ganz ungehobelte Person. Wenn er sie in Aktion sah, konnte Arkady nur vermuten, dass die Sozialisation in den Brutstationen des MotaiSyndikats sehr viel weniger Lektionen über Rücksichtnahme, Höflichkeit und Lotka-Wilsonsche Ideale beinhaltete und sehr viel mehr Rangeleien um soziale Vorherrschaft, die mit der Abschaffung der Klassenunterdrückung und des genetischen Privatbesitzes eigentlich hätten verschwinden müssen. Er hatte den deutlichen Eindruck, dass die Herrische Bella daran gewöhnt war, von der Spitze einer primitiven Hackordnung über die anderen B-Klasse-Konstrukte von Motai zu herrschen, und er versuchte jetzt herauszubekommen, wie weit sie ihr Gepolter in einer Gruppe von wissenschaftlich geschulten As treiben konnte, die nicht daran gewöhnt waren, Befehle entgegenzunehmen oder sich jemandem zu beugen.
    Bisher war Bella mit ihrer dreisten Art ziemlich erfolgreich gewesen. Der Korrekte Ahmed mochte sie. Der Lässige Ahmed tolerierte sie. Und die As von Rostow und Banerjee waren, was soziale Nuancen anging, entweder mit Blindheit gesegnet oder zu beschäftigt, um es zu merken.
    Aber jetzt mischte sich Bella auch noch in Aurelias BFS ein. Und Aurelia, eben weil sie eine Aurelia war, sah rot.
     
    Streng betrachtet war das, was die modernen Ökophysiker der Syndikate taten, überhaupt kein Terraforming. Sicher hatte es wenig zu tun mit der grobschlächtigen »planetaren Technik«, an der sich frühe menschliche Terraformer versucht hatten, als sie die ersten unbemannten Impfsonden aus ihrem Sonnensystem hinausschossen.
    Die meisten Terraforming-Versuche in der Zeit der Evakuierung waren schiefgegangen und hatten nichts zurückgelassen
außer von Einschlägen zerbeulte Trümmer, die nur für Historiker interessant waren. Aber wenn Glück und Geschick aufseiten der ersten Terraformer waren, hatten ihre ferngesteuerten Befruchtungsgeräte Einschlagskrater geschaffen, in denen sich die wertvollen flüchtigen Substanzen sammelten und schließlich Leben gedeihen konnte. Die frühen Terraformer hatten diese Ketten von isolierten Ökosysteminseln als »Oasen« bezeichnet. Syndikats-Terraformer, die noch niemals irdische Oasen gesehen hatten, nannten sie einfach »Schlaglöcher«.
    Die Schlaglochwelten (eine solche war auch Gilead gewesen, als das erste Generationenraumschiff in seine Umlaufbahn eintrat) waren nicht terraformt sondern potenziell terraformbar. Jedes Schlagloch entwickelte sich als individueller Planet, von seinen Nachbarn durch sterile Hochländern getrennt, die von tödlichen Staubstürmen durchfegt und von Sonneneinstrahlung versengt wurden. Die meisten blühten zu kurzem, instabilem Leben auf und fielen wieder in sich zusammen. Wie Arkadys erster Lehrer für Biogeographie betont hatte, war das Wissen, dass die Fluktuationen isolierter Populationen die Form ungedämpfter Schwingungen um ein stabiles Gleichgewicht annahmen, nur ein geringer Trost, wenn eine Abwärtsschwingung die Population eines kritischen Organismus unter Null drückte. Aber einige Schlaglöcher überlebten. Und ein paar, wenn auch sehr wenige, waren noch vorhanden, als die ersten Generationenraumschiffe eintrafen: die verstreuten Keime lebensfähiger, planetenumspannender Biosphären.
    Dennoch scheiterten alle bis auf eine Handvoll menschlicher Kolonien, selbst wenn sie das Glück hatten, auf einer Schlaglochwelt zu landen. Es war Furcht einflößend, auf welche vielfältige Art es den Kolonisten gelang, zu ersticken, zu ertrinken, zu verhungern oder sich zu vergiften. In den meisten Fällen war die Todesursache allerdings bestürzend banal: die Unfähigkeit, sich anzupassen.

    Tote Kolonien – darunter die genetisch nicht lebensfähigen Kolonien der lebenden Toten, die im Abkommen beschönigend »evolutionäre Seitenzweige«

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