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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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genannt wurden – starben aus zwei Gründen. Entweder weigerten sie sich, von der Erde mitgebrachte Gewohnheiten und Erwartungen abzulegen, um der erbarmungslosen Gebrechlichkeit der synthetischen Biosphären gerecht zu werden, oder sie sträubten sich gegen die tief greifenden genetischen Manipulationen, die Menschen brauchten, um auf einem anderen als ihrem Heimatplaneten zu überleben. Kolonien überlebten nur, wenn sie sich den kalten Gleichungen des Lebens nach dem ökologischen Kollaps der Erde stellten. Sie gaben den Traum auf, eine zweite Erde zu schaffen. Oder sie gaben den Traum auf, Menschen zu bleiben. Oder sie starben.
    Die Syndikate hatten beide dieser Träume aufgegeben. Und eben damit hatten sie sich das Privileg erworben, Wunder zu wirken. Was bedeutete, dass die neuen Welten, die Welten draußen im Tiefen Raum hinter den vertraglich vereinbarten Grenzen, ihnen gehörten.
    Novalis war eine für die Syndikate typische Terraforming-Mission. Sie wurde in vier Phasen durchgeführt, wobei nur die letzte die Entsendung eines bemannten Antriebsschiffs zum Zielplaneten beinhaltete. Oder besser: zum mutmaßlichen Planeten. Denn als die erste Sonde startete, war das Ziel noch überhaupt kein Planet, sondern nur eine viel versprechende Infrarotspitze in den spektrometrischen Daten eines fernen Sterns.
    Bei ihrem ersten unterlichtschnellen Vorbeiflug drehte die Sonde eine Schleife um Novalis und fand Planeten, von denen zwei sich in Umlaufbahnen bewegten, die zumindest theoretisch flüssiges Wasser zuließen.
    Acht Monate später startete eine zweite Sonde, deren Zeitfenster sorgfältig so berechnet war, dass den Ökophysikern des RostowSyndikats genug Zeit blieb, um den ersten Schub Daten zu verarbeiten. Bei einem Manöver, das im Hinblick
auf den Treibstoffverbrauch immer sehr riskant war, wurden die bordeigenen Steuerraketen so gezündet, dass die Sonde in die Bahnebene des vielversprechendsten Satelliten einschwenkte; ein mehr oder weniger erdgroßer Planet, mit einem Trabanten mehr oder weniger in der Größe des Mondes gesegnet, was die Geophysiker hoffnungsvolle kleine Phrasen wie »Satellitenstabilisierung« und »leichte Milankowitch-Zyklen« flüstern ließ.
    Der Übergang in die Bahnebene erfolgreich. Der Vorbeiflug gelang – ein spektakuläre Leistung interstellarer Scharfschützen, die die Sonde in nur siebzigtausend Kilometer Höhe über die wolkenverhangene Oberfläche des Zielplaneten hinwegführte. Die Sonde setzte sieben automatische Landemodule ab, bevor sie hinter Novalis’ gelber Sonne einen Haken schlug und ihre letzte Reise in den unausgeloteten Tiefen Raum antrat.
    Vier der Landemodule verschwanden, ohne Daten zu senden.
    Das fünfte Landemodul schaffte es fast bis auf die Oberfläche, bevor es einem defekten Segment des Hitzeschilds erlag, und sendete Infrarot- und Mikrowellensondierung eines Ozeans (eines Ozeans!), dessen Beugungsmessung in einer marinen Windfeldkarte resultierte, die Banerjees leitendem Ozeanographen zufolge stark an die südliche Oszillation der Erde erinnerte.
    Das siebte Landemodul fing eine Ameise.
    Eine Ameise, deren DNS, nachdem man sie zerschnitten, sequenziert, einer Gegenprobe unterworfen und katalogisiert hatte, sie als eine der vielen tausend Urenkelinnen einer geklonten Ponerinen-Königin erwies, die die Europäische Weltraumbehörde 2031 mit einer ihrer altehrwürdigen Ariane -Raketen in den Weltraum geschossen hatte und die immer noch durch ein unbefristetes, wenn auch aus offensichtlichen Gründen nicht mehr durchsetzbares Patent geschützt war, das ursprünglich ein in Delaware ansässiges Unternehmen
mit dem unwahrscheinlichen Namen Mosanto innegehabt hatte.
    Nach der Entdeckung dieser einen bescheidenen Ameise brach am Himmel über Gilead die Hölle los. Teams von Wissenschaftlern flitzten zwischen den Syndikaten hin und her. Die Planer von Aziz und Banerjee improvisierten Startfenster, Mannschaften und Ladungsverzeichnisse. Unter potenziellen Nutzlast- und Missionsspezialisten begannen die berüchtigten »Schikane-Fragebögen« zu kursieren, ein sicheres Anzeichen dafür, dass nicht nur eine Langstreckenmission geplant war, sondern dass es eine Eilmission sein würde: ein verzweifelter Direktflug mit dem Minimum an Personal und Ausrüstung, das benötigt wurde, um auf dem Zielplaneten einen Claim abzustecken. Viel Glück, bleibt immer hart am Wind … und verlasst euch darauf, dass wir euch logistische Unterstützung bieten, wenn ihr lang genug

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