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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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fragte sich nicht zum ersten Mal, was es für eine Person bedeutete, wenn sie unter dem rigiden Normierungssystem des MotaiSyndikats aufgewachsen war. Er versuchte die Geschwister aus demselben Jahrgang seiner Brutstation zu zählen – sehr wenige, wie er zu Rostows Verteidigung zugeben musste –, die nach den Normierungstests im fünften und achten Lebensjahr auf mysteriöse Weise verschwunden waren. Es war nicht einfach. Die Dozenten unterbanden streng jede Diskussion über ausgesonderte Geschwister. Wie immer, wenn man die Individuen von der Abstammungslinie zu trennen versuchte, erwiesen sich Namen als ein Hindernis. Aber er erinnerte sich mit schmerzhafter Klarheit an seine Gefühle in Zusammenhang mit den ausgesonderten Geschwistern. Angst. Unsicherheit. Dankbarkeit für die Dozenten, die ihn empfohlen, gefördert und beschützt hatten. Das panische Bedürfnis, die verschwundenen Kinder als Abweichler zu betrachten, und die Überzeugung, dass er ihrem Schicksal entgehen konnte, wenn er noch etwas härter daran arbeitete, normal und gut angepasst zu sein. Und, was am schlimmsten war, die erste düstere Ahnung, dass die meisten Leute zwar das mit Aussonderungen und kritischen Sitzungen verbundene Leid verabscheuten, andere aber diese erzwungene »Normalität« als eine Quelle der Lust und der Macht zu schätzen lernten.
    Er glaubte zu wissen, welche Art von Persönlichkeit er war. Und allmählich hatte er eine ziemlich gute Vermutung, welche Art von Persönlichkeit Bella war.
    Während er nachdachte, beobachtete sie ihn, ihr schönes Gesicht aufmerksam und wie hungrig. »Mir ist aufgefallen, dass meine Partnerin und dein Partner ziemlich freundschaftlich miteinander umgehen«, sagte sie.

    Arkady hatte es auch schon bemerkt. Er hatte sich nicht viel dabei gedacht. Schließlich verbrachte er fast seine gesamte Freizeit mit den beiden Aurelias. Daran war nichts Ungewöhnliches. Das andere Geschlecht war erfrischend … nun ja, anders eben. Und man konnte zu ihnen ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen, ohne die peinlichen Missverständnisse oder sexuellen Spannungen befürchten zu müssen, die die komplizierten Beziehungen zwischen Personen aus derselben Brutstation belasteten.
    »Wie kommst du denn mit Arkasha zurecht?«, fragte Bella.
    »Ich habe keinen Grund zur Klage«, sagte Arkady ausweichend.
    »Das klingt nicht gerade enthusiastisch.«
    »Was hast du von mir erwartet? Er ist intelligent … arbeitet hart … und ist, äh, sauber …«
    Sie starrten einander an. Arkady spürte, dass sein Gesicht rot anlief.
    »Schlaft ihr schon miteinander?«
    »Ich … äh …«
    »Dachte ich mir.«
    »Nicht jeder steigt schon in der ersten Woche eines gemeinsamen Einsatzes mit seinem Duopartner ins Bett«, protestierte Arkady – und hätte sich für das unausgesprochene Eingeständnis am liebsten selbst in den Hintern getreten. »Er ist kein Abweichler, wenn du das meinst.«
    Bella lächelte wie eine Katze, die gerade Beute gemacht hatte. Warum war Arkady diese glatte, raubtierhafte Selbstgefälligkeit bisher noch nicht aufgefallen?
    »Abweichler!«, sagte sie in einem offensichtlich heuchlerischen Ton, den man ihr aber aus irgendwelchen Gründen nicht zum Vorwurf machen konnte. »Ich meinte nur, dass mir sein Verhalten ein bisschen egoistisch erscheint. Aber schließlich bist du sein Duopartner. Wenn du dich schon gefragt hast … Und jetzt, da du es erwähnst, er hat doch am ersten Abend diesen seltsamen Scherz gemacht. Und um ehrlich
zu sein: Wie er manchmal meine Schwester ansieht … Du willst mir doch nicht sagen, dass dir das nicht aufgefallen ist?«
    Arkady hatte es natürlich auch bemerkt. Aber er wollte es nicht sehen. Aber jetzt, da Bella ihm den Gedanken in den Kopf gesetzt hatte, würde er es natürlich sehen. Das war das Problem bei solchen Gesprächen. Wenn einem einmal jemand die abstoßende Idee in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts sie wieder vertreiben. Und man konnte sich die betreffende Person nie wieder ansehen, ohne dass nicht ein leiser Zweifel an einem nagte.
     
    Arkady gelang es tatsächlich, Bellas Andeutungen für ein paar Tage zu verdrängen, nicht durch Willenskraft, sondern weil die Mission endlich in eine längst überfällige Phase eintrat, in der alles glatt lief.
    Die neuen BFS-Werte waren so niedrig, dass man sie als plausibel betrachten konnte, aber immer noch hoch genug, um die Ahmeds zu beruhigen. Und von dem Moment an, als grünes Licht für die Landung gegeben wurde,

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