Lichtjagd
der Stratosphäre schwebte.
»Du hältst also immer noch an der Geschichte fest, die nach Tel Aviv erzählt wurde«, sagte Cohen. »Gavi ist schuldig, auch wenn Absalom immer noch aktiv ist …«
»… aktiv sein könnte …«
»… und Gavi drüben in Yad Vashem lebendig begraben ist.«
Ash wurde unruhig. »Du kennst auch nicht immer alle Antworten, Cohen.«
»Du aber schon, was?«
Li räusperte sich. »Ich will keinen Streit unter Freunden unterbrechen, aber wie sollen wir diese Sache ohne Gavi klären? «
»Gar nicht«, sagte Didi.
Ash hatte sich auf ihrem Stuhl leicht vorgebeugt und biss sich erwartungsvoll auf die Unterlippe. Cohen begriff, dass sie wusste, was Didi tun würde. Sie hatte es schon gewusst, bevor sie durch diese Tür gekommen war. Und was immer es war, es gefiel ihr. Was nach Cohens Erfahrung nur bedeuten konnte, dass es für sie eine gute Neuigkeit war und eine schlechte für jeden, der das Pech hatte, zwischen ihr und ihrer nächsten Beförderung zu stehen.
»Wir müssen Gavi aus der Kälte zurückholen, um an diesem Fall zu arbeiten«, sagte Didi. »Ein Versuch. Auf oder ab. Schuldig oder unschuldig. Mit dir als Sicherung, damit das Amt plausibel machen kann, dass es mit der Operation nichts zu tun hat, wenn es den Bach runtergeht.«
»Und wenn er’s wieder verbockt«, sagte Ash mit Genuss, »werden wir eine Neuauflage des netten kleinen Verkehrsunfalls arrangieren, den der Premierminister nach Tel Aviv nicht mehr genehmigen wollte.«
Das Abendessen war surreal.
Lammkeulen und Smalltalk, während Cohen nach einer Gelegenheit suchte, sich mit Didi unter vier Augen zu unterhalten, Didi sich entschieden weigerte, seine Andeutungen zur Kenntnis zu nehmen, und Ash und Li mit Zillah und den Zwillingen plauderten, als seien sie nur der Geselligkeit wegen hier.
»Werdet ihr euch das neue Ahmed-Aziz-Spinvideo ansehen, während ihr hier seid?«, fragte Zillah. »Ich habe gehört, es ist toll. Und unseren Freunden im Ring scheinen diese Filme immer Spaß zu machen.«
Cohen merkte plötzlich, dass sie mit ihm sprach. »Ich schau mir mit Catherine keine Ahmed-Aziz-Spinvideos mehr an«, erwiderte er. »Beim letzten Mal hat sie schon beim Vorspann gemeckert und gestöhnt, und eine Woche später war sie noch immer nicht zum Luftholen gekommen.«
»Aber ich hatte doch wohl recht, oder?«, protestierte Li. »Der sogenannte Held hat schon vor dem Vorspann achtzehn verhängnisvolle Fehler begangen. Und außerdem mag ich keine gewalttätigen Filme. Wenn die Gewalt realistisch dargestellt wird, ist es nur deprimierend. Und wenn sie nicht realistisch dargestellt wird, ist es einfach nur dumm. Wie ein vernünftiger Erwachsener solchen Mist ertragen kann, ist mir ein Rätsel.«
»In Israel schaut man sich solche Filme gar nicht mehr bis zum Ende an«, maulte Cohen gereizt. »Heutzutage praktizieren
die Israelis ihre Gewalt automatisiert und steril. Schließlich macht es nicht viel Spaß, einen Vierzehnjährigen zu erschießen, wenn man ihm dabei in die Augen sehen muss.«
Alle am Tisch erstarrten. Didi, der gerade sein Glas gehoben hatte, warf Zillah einen vielsagenden Blick zu. Sie warf einfach nur die Hände in die Luft, als wollte sie sagen, dass es nicht ihr Streit sei.
Cohen legte seine Gabel und sein Messer ab, faltete seine Serviette zu einem präzisen Viereck zusammen und legte sie neben den Teller. »Verzeih mir, Zillah. Ich habe mich wie ein Rüpel aufgeführt. Ich bin nicht ich selbst. Im Moment fühle ich mich wirklich nicht gut. Wenn niemand etwas dagegen hat, würde ich draußen gern etwas frische Luft schnappen. «
Draußen war die Sonne inzwischen ganz untergegangen, und in der Luft war diese feuchte, gletscherartige Kälte, an die sich Cohen in all den langen Jahrhunderten der künstlichen Eiszeit nie gewöhnt hatte. Er ging den Fußweg hinunter, seine Füße knirschten auf Tannennadeln, und er blieb unter dem Blätterdach der libanesischen Zedern stehen und spürte Ronalds armen Kopf pochen.
Man sollte meinen , sagte sich Cohen, dass ich nach vier Jahrhunderten gelernt haben müsste, mein Temperament zu zügeln.
Aber es war nicht so einfach. Wenn überhaupt, dann wurde es schwieriger. Seine irrationalen Zu- und Abneigungen wurden nur noch stärker. Nach allem, was hinter ihm lag, kochten seine Gefühle immer leichter hoch. Die Israelis waren keine Idioten, sagte er sich, und haben EMET den Stecker rausgezogen, als das System sich seiner selbst zu bewusst wurde. Menschen
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