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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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behaupteten, dass sie sich mit zunehmendem Alter immer besser verstanden, und vielleicht stimmte es auch. Aber Cohen hatte allmählich den Verdacht, dass er sich ganz gegensätzlich entwickelte.

    »Betreibst du ein wenig Arithmetik der Seele?«, fragte Didi, als er mit den vorsichtigen Schritten eines alten Feldagenten hinter ihm auftauchte.
    »Wenn es so ist«, sagte Cohen unwirsch, »hat einer von uns beiden einen Fehler in seiner Mathematik. Denn wir kommen mit Sicherheit nicht zum selben Ergebnis.«
    »Hmmm.« Didi verdrehte den Hals, um das hoch aufgetürmte Blätterwerk zu betrachten.
    »Was macht Gavi denn eigentlich in Yad Vashem? Und wann kommt er zurück?«
    »Gar nicht. Er ist als dauerhafter Verwalter eingesetzt.«
    Diese Nachricht war so bizarr, dass Cohen im ersten Moment annahm, er habe sich verhört. Warum sollte ein Mann, der glänzende Aussichten auf den höchsten Posten im Mossad gehabt hatte, ein verlassenes Museum betreuen? Und wenn er schon ein Museum betreuen musste, warum schickte man ihn ausgerechnet in das Holocaust-Museum, das sich heute mitten im kontaminierten Dickicht der Grünen Grenze befand? Weil er nicht wusste, welche Frage er zuerst stellen sollte, beschränkte er sich auf eine triviale Feststellung. »Aber … das ist doch eine Arbeit für das Grenzpersonal.«
    »Tatsächlich? Man hat sein Sperma eingefroren, bevor er hingeschickt wurde.«
    »Freut mich zu hören, dass sein Sperma in Sicherheit ist«, sagte Cohen. »Allerdings stellt sich da noch die unbedeutende Frage, was aus dem Mann selbst werden soll.«
    »Niemand hat ihn gezwungen.«
    »Aber es hat ihm auch niemand einen anderen Posten angeboten, oder? Entweder das – oder in irgendeinem stinkenden Veteranenhospital verrotten?«
    »Er ist kein Krüppel, Cohen. Israel hat eine ganz hervorragende Prothesentechnik.«
    Cohen wollte etwas erwidern, behielt es aber für sich. Er atmete schwer – oder besser: Roland atmete schwer. Er zwang sich, seine Subsysteme zu entkoppeln, die emotionale Schleife
abzutrennen, die seine psychologischen Reaktionen mit den physiologischen seines Interfaces verknüpfte. Er wusste, dass es auf Menschen unheimlich, sogar erschreckend wirkte. Aber es hatte keinen Sinn, Roland für seinen Streit mit Didi bezahlen zu lassen.
    »Ich nehme also an, dass du nicht für mich mit Gavi sprechen wirst?«, fragte Didi.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann . Er hat meine Briefe seit fast zwei Jahren nicht mehr beantwortet. Und er hat auch seine Tantiemenschecks nicht eingelöst. Ich glaube nicht, dass er mich sehen will.«
    »Ich würde das nicht so ernst nehmen. Ich glaube, er ist da draußen ein bisschen aus der Spur geraten. Irgendeine verrückte Idee, dass er für das Museum einen Golem bauen will.«
    Cohen hatte auch von der Idee gehört, nämlich an den virtuellen Treffpunkten im Stromraum, wo Gavi gelegentlich rara avis auftauchte, die eine oder andere verblüffende Frage über KI-Architekturen stellte und wieder abtauchte. Die Leute hatten angefangen, es Gavis Golem zu nennen. Und es war genau das, wie Didi es genannt hatte: verrückt.
    »Ich nehme an, es sind zwei ganz verschiedene Dinge, ob er dich sehen will oder ob er dich sehen muss«, sagte Didi. »Und auch du hast gute Gründe, ihn zu sehen.« Er machte eine kurze Pause, damit dieser Gedanke einsickern konnte. »Wenn ich du und davon überzeugt wäre, dass Gavi unschuldig ist und Absalom immer noch im achten Stock sein Unwesen treibt, wäre ich sehr vorsichtig und hätte große Bedenken, mit jemandem zu reden, der noch auf der Mossad-Gehaltsliste steht. Einschließlich mir. Und wenn ich zum Beispiel einen Syndikatsüberläufer zu entfernen hätte, würde mir vielleicht der Gedanke kommen, dass der eine Mann, den ich für die Vorfälle in Tel Aviv am allerwenigsten schuldig halte, auch einer der besten Vernehmungsbeamten im Land und sicher der Aufgabe gewachsen ist, Arkadys hübschen kleinen Kopf für dich zu sezieren.«

    »Willst du damit andeuten, dass ich Arkady in die Grüne Grenze schmuggeln soll, um mit Gavi zu reden? Und was dann? Soll ich Gavi erklären, dass du ihm über die Schulter schaust und er dir besser den Dreck übergeben und keine krummen Dinger versuchen sollte? Ich würde ihm keinen Vorwurf machen, wenn er uns persönlich erschießen würde!«
    »Doch nicht Gavi. Er lächelt immer, wenn er einem sagt, dass man sich zum Teufel scheren soll.«
    »Du bürdest ihm immer noch eine ganze Menge auf. Und du bittest mich und

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