Lichtjagd
überlebensgroßen
Anzeigen bombardiert, die verkündeten: DAS LÜGEN BEGINNT AM 28. FEBRUAR.
KÜNSTLICHE LÜGEN hatte Cohen einen satten Profit eingebracht, selbst nach seinen erhabenen Standards. Es hatte auch Gavi einen ordentlichen Profit eingebracht, selbst wenn man es seiner äußeren Erscheinung nicht anmerkte. Und es hatte eine ganze Generation von Heranwachsenden im Ring beeinflusst, die so taten, als seien sie Freiheitsdurstige Emergente, die von bösen verschwörerischen Menschen versklavt wurden – was bei der Anti-KI-Lobby für einiges Naserümpfen sorgte. Außerdem machte dieses dumme Spiel einfach Spaß. Li mochte es auch. Und sie war in solchen Dingen sehr anspruchsvoll.
Cohen räusperte sich. Er hatte bemerkt, wie Didi ihn ansah. »Ich wusste gar nicht, dass du Stromraumspiele spielst.«
»Nur deins.« Didi kniff hinter den dicken Brillengläsern die Augen zusammen. »Und ich hab’s nur bis auf den Level geschafft, wo meine KI angefangen hat, mich zu belügen. «
»Das ist Level vier«, sagte Li heiter. »Sie müssen unbedingt weiterspielen. Die richtig harte Action fängt erst auf Level sieben an.«
»Es ist nur ein Spiel«, brummte Cohen.
Niemand würdigte seinen Protest einer Antwort.
»Also«, fuhr Didi nach einer kurzen Pause fort. »Wir legten eine Liste von Verdächtigen an. Wir achteten dabei auf Zugriffsmöglichkeiten, Bewegungsmuster, die üblichen Indizien. Als wir fertig waren, hatten wir sieben Namen. Sieben Leute, die genügend Zugriffsmöglichkeiten hatten, um ihre Finger in so viele Operationen zu stecken, über so viele Schreibtische und Abteilungen hinweg.«
»Welche sieben?«, fragte Cohen.
»Gavi und ich standen auf der Liste.« Didis Gesichtsausdruck war sanft wie immer, aber der Blick, den er Cohen zuwarf, war eiskalt. »Du auch. Und ich werde dir nicht sagen,
wer die anderen waren. Ich will keine Hexenjagd rechtfertigen. «
»Wie auch immer«, fuhr Ash fort, vielleicht weil sie merkte, dass Didi nicht die Nerven hatte, um die Geschichte zu Ende zu erzählen. »Wir hatten unsere Verdächtigen. Danach war es nur noch eine Frage, unser Kontrastmittel in das System zu injizieren und abzuwarten, bei wem es zum Vorschein kam. Wir mussten nicht lang warten. In Tel Aviv hat sich dann alles zugespitzt.«
»Hat es sich wirklich zugespitzt«, fragte Li mit gefährlich ruhiger Stimme, »oder haben Sie dafür gesorgt , dass es sich zuspitzt?«
Ash zuckte die Achseln. Als Cohen zu Didi hinübersah, stellte er fest, dass der alte Mann gerade die dicke Patina von Schrammen an seinen Schuhen betrachtete, als sei ihm ihr Zustand gerade erst aufgefallen.
»Ich habe die UNSR-Agenten gekannt , die dabei gestorben sind.« Lis Stimme war in ein flaches Murmeln umgeschlagen, das Cohens Erfahrung nach nichts als Ärger bedeuten konnte. »Sie haben nicht für Ihren schmutzigen kleinen Krieg angeheuert. Und waren bestimmt nicht damit einverstanden, dass sie zum Wohle des Staates Israel verheizt wurden. «
»Wir haben niemanden verheizt«, sagte Didi.
»Natürlich nicht. Sie haben sie nur ins Ungewisse geschickt, obwohl sie wussten, dass einer der Männer, die ihnen den Rücken decken sollten, ein Verräter war.«
Darauf schien niemand etwas erwidern zu können. Was sollte man auch schon dazu sagen?
Cohen sah zum Fenster hinaus. Auf der anderen Seite der Scheibe ging die Sonne über einer hügeligen Landschaft aus wilden Olivenhainen unter, die im Laufe der Jahrhunderte so oft die Besitzer gewechselt hatten – palästinensische und israelische – , dass die Nationalität zu einer Frage der Semantik geworden war. Die Bäume mussten älter sein als er, erkannte
Cohen, was immer weniger organische Lebewesen von sich behaupten konnten.
»Wir haben in Tel Aviv drei unserer eigenen Leute verloren«, sagte Didi schließlich. »Der Verräter, der ihnen den Rücken decken sollte, war der Chef unserer Spionageabwehr, ein Mann, den ich ins Amt geholt, ausgebildet, unterstützt und gefördert habe …«
»Nachdem seine Frau gestorben war, hatte Zillah ihn anderthalb Jahre lang praktisch gefüttert «, brummte Ash, die Stimme von einer Bitterkeit erfüllt, die auf jede Erwähnung von Gavi Schehadeh so gewiss folgte wie der Staub dem Khamsin .
Didi fuhr fort, als habe er sie nicht gehört. »Wenn das Absalom-Problem nicht ans Licht gekommen wäre, hätte ich mich im Jahr darauf zur Ruhe gesetzt und Gavi wäre in das reizende Büro eingezogen, das ihr heute Nachmittag gesehen habt. Wenn eine
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