Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)
wir uns nicht, sondern warten nur, dass die alten Gefühle wieder zurückkehren. Vielleicht ist das eine Frage der Dosierung, eine Frage des verantwortlichen Umgangs mit Gefühlen, den man nicht so ohne weiteres steuern kann. Bei Gabriela kann ich mir vorstellen, dass sie sich einen solchen Film anschaut, mit derselben Unvoreingenommenheit, mit der sie auch sonst alles anschaut, was mit Sexualität zu tun hat. Einmal hat sie sogar zusammen mit ihrem Freund eine Erotikmesse besucht und mir erzählt, wie »lustig« und »interessant« sie vor allem die Frauen findet. »Die Frauen?«, frage ich sie. »Du fandst sie lustig?« »Ja«, sagt sie, »sie hatten Spaß miteinander. Alle haben ständig gelacht.« Ihr würde auffallen, dass die Darstellerinnen in dem Film, den ich mit Judith in Primm sehe, auffallend klein sind. Garantiert würde Gabriela sagen: »Warum sind die denn alle so klein?« Oder sie würde sagen: »Die waren alle im Solarium. Alle zusammen.« Gabriela geht selbst ins Solarium, und zwar regelmäßig. Die gleichmäßig gebräunte Haut der Darstellerinnen in dem Porno, den ich mit Judith sehe, lässt diese Frauen für mich als Wüstenfrauen erscheinen, Wüstenbewohnerinnen, die irgendwie in diesen Film hineingeraten sind und bei denen sich die Sonneneinstrahlung gleichmäßig auf ihre kleinen wendigen Körper verteilt hat. Einige von ihnen tragen Ringe und Armreifen oder schwere goldene Ketten, die mehrfach umeinandergewickelt sind. Und auch das würde Gabriela nicht unkommentiert lassen. Sie würde sagen: »Und sonst haben sie nichts an. Lustig was?« Judith sagt dagegen nichts. Sie schaut einfach nur zu. Sie macht nicht eine einzige Bemerkung. Schaut sie den Film an, um mir einen Gefallen zu tun? Ich sage: »Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt Lust darauf habe.« Und dann sage ich: »Ich bin gar nicht in der Stimmung dafür.« Gabriela schaut sich die Frauen auf der Erotikmesse an. Sie findet es erstaunlich, wie gut sie sich in Form halten und wie gepflegt sie sind. Einige von ihnen findet sie auch attraktiv. Sie sagt: »Aber es ist ja eine Messe. Da ist das dann eben so.« »Dass man sie attraktiv findet?«, frage ich. »Nein, dass sie Spaß haben, und die Leute, die sie anschauen, haben auch Spaß. Das ist doch schön.« Und ich kann nicht anders, als zu denken, dass Gabrielas große unerschöpfliche Unschuld mich noch bis an mein Lebensende immerzu rühren und verzaubern wird. »Willst du dir das wirklich anschauen?«, frage ich Judith mit der Fernbedienung in der Hand, unfähig, den Pay-per-View-Kanal wieder zu verlassen. Wir haben noch nicht mal eine Decke. Wir liegen beide nackt auf dem beigefarbenen Riesenbett und sind der Erregung, die uns ergreifen soll, hilflos ausgeliefert.
Es muss Primm gewesen sein. Und zwar unter Mitwirkung von acht Frauen, die eine Büro-Sex-Szene spielen. Die Frauen sind in einem fiktiven Büro, in dem mehrere Schreibtische stehen und eine Sitzgarnitur sowie eigenartigerweise auch eine Fahrstuhltür, die sich aber während des Ausschnittes, den wir sehen, nicht öffnet, in meiner Erinnerung aber später eine große Rolle spielt. Zwei oder drei Frauen bilden jeweils eine Gruppe, um die sich die Kamera herumbewegt. Es gibt keinen Auftakt, kein Vorspiel, nicht die geringste Einleitung. Die Wüstenbewohnerinnen spielen miteinander, und wir schauen zu. Besonders große Schwierigkeiten habe ich mit ihren rasierten Geschlechtsteilen. Nicht, dass ich so etwas noch nie gesehen hätte, aber ich empfinde es Judith gegenüber als geschmacklos. Im Grunde schaue ich nicht hin, sondern schaue die ganze Zeit zu Judith und schaue zu, wie sie den Film aufnimmt. Ich tue so, als würde mich natürlich der Anblick von Judith sehr viel mehr erregen als der der Frauen im Hotelfernseher, in dem dunkelgebeizten, klobigen Schrank. Sie sind Kraftsportlerinnen. Ihre ausgeschabten Achselhöhlen blitzen im künstlichen Licht auf. Die Wüste hat ihre Körper glatt und geschmeidig gemacht. Ihre Zungen sind behände, reaktionsschnelle Tiere, die aus dem Untergrund kommen. Ihre Schamlippen, zusammengefaltete Hände, die sich in ihren Schoß hineingearbeitet haben. Sie haben ihre Arme verloren. Ihre Finger ziehen ihre Münder auseinander, ihre Hände arbeiten an fremden Körpern. Einmal sehe ich eine Szene, die Judith kommentarlos durchgehen lässt, wie eine Frau einer anderen mit ihrer kleinen fleischigen Zunge so abenteuerlich schnell über die kalten, trockenen Schamlippen leckt, dass man denkt,
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