Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)
zwei alte grauhaarige Frauen, die mit langen, telefonkabelähnlichen Schnüren mit zwei Wheel-of-Fortune-Maschinen verbunden sind. Die Tische sind von hier aus nicht zu sehen. An den Tischen passiert es. An den Tischen treffen sich die Geschlechter, dort wird das Geld ausgegeben. Dort werden die Existenzen ruiniert. »Willst du?«, frage ich. Ich schaue sie von der Seite an. Wie durch ein Wunder hat sich ihr müdes Gesicht, das mir im Restaurant, während wir gegessen haben, so leer und uninspiriert erschien, plötzlich in den Inbegriff beseelter Schönheit verwandelt. Ich möchte, dass sie glücklich ist. In diesem Moment, jedenfalls für den Bruchteil einer Sekunde, bin ich bereit, alles zu verspielen, was ich besitze, nur damit Judith und ich eine gute Zeit haben. Sie schaut sich um. Aber schon im nächsten Moment habe ich auf einmal Angst, sie könnte wirklich zu weit gehen, wenn ich nicht auf sie aufpasse. Wir stehen im Erdgeschoss, in der Lobby des Hotels. Inmitten dieser dimensionslos vor sich hin musizierenden Spielautomaten, die in Abständen von Jahrzehnten Augenblicke gebären, die für die alten Frauen die großen Glücksmomente sind. Und dann halten sie ihre Plastikeimer vor die Ausgabeschächte und schaufeln mit ihren knochigen Fingern die Münzen hinein. »Wir müssen nur einen Tisch finden«, sage ich. Judith reckt den Kopf. Dann finde doch einen Tisch, sage ich mir. Um Gottes willen, finde doch irgendwo einen gottverdammten Tisch. Ich taste in meiner Tasche nach meiner Kreditkarte. Es gibt zwei Möglichkeiten: Alles zu verspielen oder nach oben zu gehen und miteinander zu schlafen. Oder suche ich in Wirklichkeit nach einer Kombination? Die Spielautomaten bilden lange gleichförmige Reihen, zwischen denen leichtbekleidete Bedienungen hin und her laufen, um die alten Frauen aufzuspüren und sie mit Drinks zu versorgen. Sie möchte spielen. Judith möchte etwas riskieren. Ihre Augen leuchten, als hätte der Automat, an dem sie die lächerliche Summe von drei Dollar siebzig verspielt hat, sie infiziert. Tatsächlich aber ist das der Blick, den ich schon kenne. Es ist ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre große emotionale Kraft, die in ihr verborgen ist und mit der wir endlich irgendetwas anfangen sollten. Eine Kraft, die unser Leben vielleicht lenken und zu einem glücklichen Ende führen könnte.
4
Durch den langen, mit Teppich ausgelegten Gang nähert sich eine Kellnerin.
Sie trägt ein leeres Tablett und ist auf der Suche nach Gläsern und Flaschen, die die alten Frauen stehen gelassen haben. Es ist halb drei. Die Spielautomaten sind verwaist. Die alten Frauen sind nicht mehr da. Judith wendet den Blick ab. Sie schaut auf das Display des Automaten, an dem sie vorher gespielt hat. »Hast du noch einen Dollar?«, fragt sie. Mit einem Gefühl der Erleichterung greife ich in meine Tasche. Es hat gar keinen Sinn, wenn wir wirklich einen größeren Betrag verspielen. Ich denke das vielleicht im Hinblick auf die Nacht, die uns noch bevorsteht. Die Stunden, die uns noch bleiben, wenn wir auf unserem Zimmer sind. »Es ist doch viel besser so«, flüstere ich, raune ich mir zu. Jetzt, während ich auf den A-Train warte, der mich schließlich zum Flughafen bringt, und diesen Augenblick Revue passieren lasse, ist es nur ein ganz kurzer Moment, ein kurzer Augenblick. »Willst du?«, frage ich. Ich sehe uns, in der Erinnerung, wie wir zurück ins Zimmer gehen. Das große, glamouröse Bett, von dem wir das Bettzeug heruntergerissen haben. Ich sehe unser Zimmer, ein grelles hyperrealistisches Gemälde. Das Gemälde eines kalten, körperlosen Kusses. Es ist mehr ein Versehen, dass wir den Pay-per-View-Kanal benutzen. »Warum nicht?«, sagt Judith, als ich sie frage, ob sie das sehen will. Und sie greift nach dem Kopfkissen, das auf den Boden gefallen ist. Unsere Lebensgeister kehren noch einmal zurück. Wir richten uns auf, die Hände auf das Bett gestützt, und starren auf den Fernseher.
Die Bettlaken sind so straff gespannt, dass das Bett wie ein Felsen unter uns liegt. Der Schrank, in dem der Fernseher untergebracht ist, ist geschlossen, lässt sich aber leicht öffnen. Als ich mir den Mechanismus des Schlosses genauer anschaue, merke ich, dass man überhaupt keinen Schlüssel hineinstecken kann und dass das messingfarbene Schloss nur zur Verzierung auf das Holzfurnier aufgeklebt ist. Und vielleicht ist das das ganze Geheimnis, in dem sich die eigentliche Kraft unserer Liebe offenbart. An manchen Tagen lieben
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