Lichtjahre
die man nachahmt und bewundert. Er konnte nicht mehr scheitern oder verschwinden. Er war wie ein wunderbarer Gast, der früh geht, die Erinnerung an ihn blieb und war um so stärker, als er sich genau zum richtigen Zeitpunkt von ihnen getrennt hatte. Das Hochzeitsauto fuhr los, abrupt, wie es schien, plötzlich winkten alle, man hörte Abschiedsrufe, es fuhr die Straße hinunter, ein Labrador rannte nebenher.
»Da fahren sie hin«, sagte jemand,
»Ja«, stimmte Viri zu.
In der Ferne lief der schwarze Hund der Staubfahne des Wagens nach, lief und blieb allmählich zurück. Schließlich gab er die Verfolgung auf und stand allein am Straßenrand zwischen ein paar Bäumen.
Das war im Frühling. Franca verbrachte den darauffolgenden Sommer mit ihrer Mutter am Meer. Sie wohnten in einem kleinen verwitterten Haus am Rande von Kartoffelfeldern. Das Auto parkte vor dem Eingang, ein englischer Morris, den sie dem Werkstattbesitzer abgekauft hatten, die Farbe war in Staub und Sonne kreidig weiß geworden. Es gab einen Garten, ein Badezimmer, in dem das Wasser nur spärlich aus dem Hahn tröpfelte, der Blick ging auf sich in der Ferne verlierende Dünen.
Sie hatten ausgedehnte Mittagessen. Sie fuhren ans Meer. Sie lasen Proust. Im Haus liefen sie mit nackten Beinen herum, ohne Schuhe, mit gebräunten Gliedern, den gleichen grauen Augen, weichen, blassen Lippen. Die ruhigen Tage, das Zusammensein, die Sonne zog alle Sorgen aus ihnen heraus, ließ sie zufrieden zurück. Man sah sie morgens, wenn man bei ihnen vorbeiging. Sie waren im Garten, eine schöne Frau, die die Blumen goß, ihre Tochter neben ihr, im Arm eine lange weiße Katze, die sie langsam streichelte. Oder das Haus, wenn sie fort waren: die Fenster still, knappe Badeanzüge lagen ausgebreitet auf der Holzkiste, die Wanderdrosseln mit ihren dunklen Köpfen und rötlichbraunen Körpern hasteten über den Rasen.
Vor der Tür stand ein Holztisch, an dem sie in der Sonne saßen. Kleine gelbe Bienen ließen sich auf den Käserinden nieder. Nedras Handflächen lagen flach auf dem glatten, heißen Holz. Es war Anfang August. Das Meer sang. Über ihm hielt sich ein silbriger Nebel, der am Morgen aufgestiegen war. Ein paar Kinder riefen und spielten in den leeren Stunden nach dem Mittagessen.
Sie besuchten Peter und Catherine. Sie aßen mit ihnen abends unter den großen Bäumen. Danach saßen sie zusammen und redeten über Viri. Nedra hatte ein paar Knöpfe ihres Kleides geöffnet und rieb sich den Bauch. Das sei gut für die Verdauung, sagte sie. In der Dunkelheit zogen Flugzeuge über sie hinweg, ein schwaches anhaltendes Geräusch, ihre blinkenden Lichter wanderten langsam an den Sternen vorbei.
»Letzten Monat war ich mit ihm zum Lunch«, sagte sie. »Er ist ein wenig müde... ihr wißt schon, vom Leben. Er hatte es nicht leicht gehabt, ich weiß nicht genau, warum.«
»Oh, ich glaube, es gibt einen ganz einfachen Grund«, sagte Peter.
»Man täuscht sich so oft... «
»Ja, aber du und Viri - immer wenn sich zwei Menschen trennen, ist es, als wenn man einen Scheit Holz spaltet. Die Teile sind ungleich. Eines von beiden enthält den Kern.«
»Viri hat seine Arbeit.«
»Aber du hast das, was heilig war, mitgenommen. Du kannst leben und glücklich sein; er nicht.«
»Es geht ihm wirklich schon besser«, sagte Franca.
»Wir haben ihn schon lange nicht mehr gesehen.«
»Es geht ihm viel besser«, versicherte sie ihnen.
»Wohnt er noch in dem Haus?« fragte Catherine.
»Oh ja.«
Sie hatten von Essen und alten Freunden geredet, von Europa, Einkäufen in der Stadt, dem Meer. Wie ein Geschäftsmann, der wichtige Angelegenheiten bis zum Schluß zurückhält, fragte Peter: »Und was ist mit dir, Nedra?«
»Mit mir?«
»Ja.«
»Na ja, ich hab wunderbar gegessen, ich hab ein sehr bequemes Bett... «
»Ja... «
»Wenn ich drüber nachdenke ... ich glaub, ich bin nicht gewöhnt, Antworten auf Fragen dieser Art zu geben, vor allem nicht jemandem, der mich versteht.« Sie machte eine Pause. »Was für einen Eindruck mache ich denn?«
»Peter«, erklärte Catherine. »Nedra möchte nicht darüber reden.«
»Die Wahrheit ist«, sagte Peter, »ich will dich ja nicht enttäuschen, aber du machst einen wunderbaren Eindruck; du scheinst dieselbe wie eh und je.«
»Dieselbe wie eh und je ... Nein. Keiner von uns ist der oder die, die wir gewesen sind. Wir bewegen uns in irgendeine Richtung. Die Geschichte geht weiter, aber wir sind nicht mehr die Hauptfiguren. Und
Weitere Kostenlose Bücher