Lichtjahre
Stationen waren jetzt leer, die Dunkelheit brach herein, die Häuser um sie herum waren erleuchtet.
Er bewegte sich sicher in der Küche; frische Kammuscheln und kalter weißer Graves. Er wußte, wie man Dinge zubereitete - einen Drink, ein Feuer, Dinner, was für eine Art Herd man brauchte. Von seinem Haus sah man hinaus auf weite leere Felder, in denen manchmal Möwen standen.
Seine große Leidenschaft war das Angeln. Er hatte in Irland geangelt, im Restigouche, er hatte am Frying Pan und im Esopus geangelt. »Da hab ich Catherine erobert«, erinnerte er sich. »Ein Tag der Wunder. Wir sind runter zum Fluß gegangen, und sie hat am Ufer gesessen und gelesen, während ich angelte. Schließlich sagte sie: ›Ich hab Hunger.‹ Und genau in dem Moment, wie auf Kommando, hab ich zwei wunderschöne Forellen rausgeholt.«
»Aber die beste Anglergeschichte, die ich kenne«, sagte er, »ist einem Freund von mir passiert, der in Frankreich lebt. Sein Schwiegervater hat ein großes Landhaus mit einem Teich, und in diesem Teich lebte ein riesiger Hecht. Ein sehr listiger Fisch, sehr alt. Der Gärtner war schon jahrelang hinter ihm her, er hatte ihm den Tod geschworen. Eines Tages saß Dix am Teich und angelte, er hatte nichts Großes im Sinn, er warf beiläufig die Angel aus und erwischte den Hecht zufällig mit dem Haken am Schwanz. Ungewöhnlich, aber das kann schon mal passieren. Ein enormer Kampf. Der Hecht war einen Meter lang. Dix kämpfte und rief um Hilfe. Der Gärtner stürzte ins Haus und kam mit einer Flinte zurückgerannt, und bevor sie ihn daran hindern konnten, fing er wie verrückt an, auf den Hecht zu schießen. Überall war Blut, totales Chaos. Der Fisch bewegte sich nicht mehr, lebte aber noch. Sie setzten ihn in eine Badewanne, wo er verletzt herumtrieb. In der Nacht starb er. Man war sich nicht einig, wie er gestorben war, weil man einige Stichwunden bemerkte, aber jedenfalls war nichts mehr zu machen, sie froren ihn in einem Block Eis ein - das war im Winter -, und später wurde er nach Paris geschickt. Dix' Schwiegervater gab ein wichtiges Dinner, und der Hecht wurde zu Fischsuppe verarbeitet. Dix war auch da, alle waren da, auch der Bildungsminister, der einen Bissen vom Fisch nahm und verwirrt zum Mund griff, um ein paar Schrotkugeln herauszuholen. Der Schwiegervater sah Dix an. .. aber was konnte der schon sagen? Er zuckte nur mit den Achseln.«
»Frauen haben für's Angeln nichts übrig«, sagte er nach einer Pause, »nicht wahr?«
»Natürlich haben wir dafür was übrig, Darling«, sagte seine Frau.
»Sie stehen morgens nicht gerne früh auf. Um ehrlich zu sein, ich auch nicht.«
Er mochte Brandy, Kristallgläser, Wermut Cassis im Century. Er hatte sich in seinem Leben gut eingerichtet, es war solide, vielleicht nicht glücklich, aber bequem; es gab Feste der Behaglichkeit wie die Nächte im Schlafwagen mit ihren sauberen Laken und in der Dunkelheit vorbeiziehenden Städten. Seine Kleidung wies erste Anachronismen auf, die ersten Altersflecken erschienen auf seinen Handrücken. In seinem Haus gab es selten Musik. Dafür Bücher und Unterhaltungen, Erinnerungen. Er trug blaukarierte Hemden, die vom vielen Waschen verblichen waren. Englische Schuhe, die ein wenig altmodisch wirkten. In seinem Gesicht lag eine wunderbare Wachheit, in der Iris des einen Auges stand ein kleiner dunkler Schlüssel wie ein heiliges Mal. Er war gereist, er hatte diniert, er sprach von Hotels mit einer Hingabe, die man eigentlich nur Frauen oder Tieren vorbehält. Er wußte genau, in welchem Museum ein Bild hing. Sein Französisch war ein wackeliges Gebäude, erichtet auf einem Wortschatz von Essen und Trinken. Er sprach es mit Grandezza. Die Stunden gingen schnell vorbei. Der Nebel stieg auf, die Brandyflasche war leer.
»Mein Gott«, sagte Nedra, »wie spät ist es?«
Peter sah auf die Armbanduhr. Nach kurzer Überlegung sagte er: »Ein Uhr.«
»Ich hab zuviel Brandy getrunken«, sagte sie. »Ich vertrag ihn nicht mehr. «
»Macht nichts, er ist sowieso alle.«
»Er geht mir in die Beine.«
Stille. Er nickte zustimmend. »Nedra...« sagte er schließlich.
»Was?«
»Es schadet ihnen nicht«, sagte er.
Ein letztes Bild von ihm, wie er im erleuchteten Hauseingang steht, der Nebel deckt alles andere zu, das Haus, sogar die Fenster, die Hunde drängen sich hinter ihm. »Ich bring dich nach Hause«, sagte er plötzlich. »Es ist schrecklicher Nebel. Du kannst dein Auto morgen früh abholen.«
»Nein, es geht
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