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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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lag auf einem kleinen Diwan neben der Terrassentür, Lia lag neben ihm. Ihr Morgenmantel war offen - er hatte ihn aufgemacht -, ihre Augen lagen im Schatten. Die schwarze Vertiefung ihres Nabels, das noch schwärzere Schamhaar schimmerten zu ihm herauf wie dunkle Steine auf dem Grund eines Teiches. Sie war dünn, ihr Fleisch war weich, sie bekam leicht blaue Flecken. Da war er nun zwischen ihren Beinen, sie lag unbedeckt da, ausgestreckt auf ihrem Morgenmantel. Die Mücke war nicht mehr zu sehen, war verschwunden. Sie umklammerten einander, gleichgültig, nackt, beschmutzten die zerdrückte Decke, die auf der Matratze lag.
    Der Akt war beschämend, ein Akt der Langeweile und Verzweiflung, den man vollzog, weil alles andere fehlge-schlagen war. Es war schnell vorbei. Er lag an ihrer Seite und schob den Arm unter ihren Kopf, zugleich zog er den Morgenmantel über sie, als wäre sie ein Laden, den er für die Nacht schloß - ein Laden, mit dem man sprechen mußte. Sie sagte nichts. Sie lag in der Dunkelheit, ohne sich zu bewegen.
    In Porto Santo Stefano fanden sie ein Restaurant und setzten sich an einen Tisch. Nur noch ein Tisch war besetzt. »Ich glaub, wir sind ein wenig früh dran«, sagte er.
    »Sì.«
    Er hoffte auf das Essen, vielleicht konnte es ihm etwas von der Freude zurückgeben, die von ihm gewichen war, so wie man auf Medikamente hofft oder auf ein Vergnügen. Er las die Karte, er las sie noch einmal wie ein Mann, der nach etwas sucht, das unerklärlicherweise fehlt. Der Kellner stand dicht hinter ihm.
    Sie sei nicht hungrig, gestand Lia. Ihre Eröffnung entmutigte ihn. Er begann, ihr Dinge vorzuschlagen, die sie vielleicht mochte.
    »Bollito misto.«
    »Nein.«
    »Sie haben auch Fisch.«
    »Nichts, amore.«
    Das Restaurant war leer; sogar die Straße draußen war ruhig. Er nahm sich Salz aus dem kleinen Glasschälchen, er stippte mit der Messerspitze hinein und klopfte dann mit dem Finger dagegen. Er versuchte, den Wein zu trinken. Er hatte zuviel bestellt.
    Sie sah ihm beim Essen zu und sagte wenig. Sie war wie eine Fremde, der er auf einer Reise begegnet war, plötzlich wußte er nicht, ob er ihr trauen konnte. Er war sich sicher, daß sie seine Nervosität spürte. Der Kellner saß neben der Tür zur Küche; der Besitzer schien halb zu schlafen.
    »Es ist, als wären wir im Exil«, sagte Viri. »Die tagliatelle sind gut. Probier mal.«
    Sie nahm einen Bissen. In dem verlassenen Raum, einem Raum, der wirkte, als würde darin gleich ein Mord geschehen, hielt seine Hand ihr die Gabel hin.
    »Willst du zurück nach Rom?« fragte sie.
    Er fühlte sich schuldig. Er hatte das Gefühl, daß er alles verdarb. »Ich weiß nicht. Wir können das doch morgen entscheiden«, sagte er. »Ich bin ein wenig nervös, ich weiß auch nicht, warum. Ich bin mir sicher, daß es weggehen wird. Und das Hotel... Vielleicht ist es das Wetter oder sonstwas. Gib mir ein, zwei Tage Zeit, dann kommt das schon in Ordnung.« Und später, im Bett, sah er sie näher kommen, die Arme heben und das Nachthemd ausziehen. Sogar diese Handlung machte ihm angst. Sie schlüpfte neben ihn, nackt, ohne Eile. »Amore, natürlich werde ich warten«, sagte sie. »Du weißt das doch. Ich bin dein«, sagte sie mit einer Stimme, die ohne Hoffnung war. »Mach mit mir, was du willst.«

7
    Die Schrecken der Verbannung, einer unbekannten Welt. Was am Anfang neuartig und interessant ist, verhärtet sich langsam zu unabänderlichem Leben, das Lachen verblaßt, es ist wie eine schwere Schule, die niemals enden wird. Er erkannte die Ferien nicht wieder. Selbst Sonntage waren bedeutungslos, gefürchtet, alles war wie ein Buch mit sieben Siegeln.
    Adorato, flüsterte sie, amore dolce. Verzeih dieses unerbittliche Werben. Sie habe nur noch wenig Kraft, sich zurückzuhalten, sagte sie. Sie habe Sehnsüchte, wie sie nur ein Waisenkind kenne. Sie begann, die Hoffnung aufzugeben. Irgendwie gab ihr das Kraft. Sie zog die entsetzliche, verzweifelte Sehnsucht, die sie vor ihm ausgebreitet hatte, wieder zurück. An ihre Stelle trat eine Art aristokratischer Ergebenheit. Sie fuhr mit ihren Eltern nach Mailand. Sie gingen in die Oper. Sie ließ sich die Haare schneiden. Der Hotelbesitzer will, daß seine Tochter sich ihr Haar so wie ich schneiden läßt, schrieb sie. Sie gingen in Ausstellungen, sie machten Einkäufe. Selbst das kann die Einsamkeit nicht ganz töten. Ich sehne mich nach dir. Ich rauche jeden Abend eine Zigarre. Sie nennen mich Cigarello, braun und dünn.

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