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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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merkwürdige Diskrepanz, es war, als hätte er sich für den Fotografen umgezogen oder einen Anzug geliehen. Ein teilnahmsloses Gesicht, das Gesicht eines Fanatikers.
    »André ist Dichter.«
    »Ich hab gerade einen Dichter im Auto mitgenommen«, sagte Nedra.
    Sie hatte einen weißhaarigen Mann die Straße entlangtrotten sehen. »Wo wollen Sie hin?« hatte sie ihn, langsamer fahrend, gefragt. Er sagte es ihr. Es war ungefähr noch eine Meile bis dahin. Er hatte dort einen Garten. Und warum lief er? Er wohne in Nanuet; er sei von dort gelaufen.
    »Er war schon alt, aber er hatte ein wunderbares Gesicht, ganz braungebrannt.«
    »Und sehr kräftige Beine.«
    »Nein, er war wirklich interessant. Er kommt ursprünglich aus Kalifornien. Er hat mir eines von seinen Gedichten aufge-sagt. Es ging um Astronauten. Es war nicht besonders gut«, gab sie zu.
    Jivan brachte ihr ein Glas Wein.
    »Ich hab seinen Mut bewundert«, sagte Nedra. Sie lächelte, dieses überwältigende, breite Lächeln. Sie sah André an.
    »Wissen Sie, was ich meine?«
    »Wie geht es dir in letzter Zeit?« fragte Jivan.
    »Wir fahren nach Europa«, kündigte sie an.
    »Wann?« sagte er ein wenig schwach.
    »Wir fahren nächstes Frühjahr nach Paris. Hoffe ich jedenfalls.«
    »Nächstes Frühjahr.« .
    »Wir mieten uns ein Auto und fahren überallhin. Ich will einfach alles sehen.«
    »Wie lange werdet ihr bleiben?«
    »Mindestens drei Wochen. Ich will nach Chartres und Mont-Saint-Michel. Schließlich ist es das erste Mal.«
    »Aber Viri war schon da.«
    »Sagt er zumindest.«
    »André kennt Europa.«
    »Stimmt das?«
    »Ich bin da zur Schule gegangen«, sagte André. Er mußte sich räuspern.
    »Wirklich? Wo?«
    »In der Nähe von Genf.«
    »Es ist komisch«, sagte Jivan. »Ich habe nicht die geringste Lust, nach Europa zu fahren. Ich würde meine Mutter gerne besuchen, aber für mich ist das hier das Land der Wunder. Was immer es in Europa geben mag, hier gibt es mehr davon.«
    »Aber du warst schon dort«, wandte Nedra ein.
    »Du wirst sehen.«
    Sie nippte an ihrem Wein. Jivan hatte ein kunstvolles kaltes Buffet zubereitet. Er legte ihnen vor, während sie redeten.
    »Europa... «, fuhr er fort.
    »Bitte nicht mehr«, sagte sie.
    »Kein Fleisch?«
    »Nicht mehr von Europa. Ich möchte nicht, daß du es mir verdirbst.« Sie faltete ihre Serviette auseinander und nahm einen Teller entgegen. »Ich liebe Lunch«, sagte sie. »Es ist so schön, mittags mit Freunden zu essen.«
    »Das ist wahr«, sagte André.
    »Man gerät allerdings leicht in einen bestimmten Ver dacht.«
    Er machte eine vage Bewegung mit dem Kopf.
    »Leben Sie in der Stadt?« fragte sie.
    »Ja.«
    In der Stadt und allein. Das sei für sie eine interessante Vorstellung, sagte sie, allein zu leben. Wie sei das so?
    »Luxuriös«, sagte er.
    »Man gewöhnt sich daran«, fügte Jivan hinzu.
    »Es kommt immer darauf an, wen man fragt, oder?« sagte sie.
    »Wenn man keine Frau hat, muß man irgendeine andere Leidenschaft haben«, sagte Jivan. »Eins von beidem.«
    »Aber nicht beides«, murmelte André.
    Er sagte wenig und das sanft, fast gleichgültig. Er aß sehr wenig. Statt dessen rauchte er eine Zigarette und trank den Wein. Das Aroma des Tabaks in dem sonnenhellen Zimmer war schwach und köstlich. Jivan brachte kleine Teller mit kandierten Trauben herein, die ihm seine Mutter geschickt hatte, daneben legte er winzige Silberlöffel. Er schenkte Kaffee ein. Der Zigarettenrauch des Dichters hing bläulich in der Luft.
    »Was haben Sie geschrieben?« fragte Nedra.
    »Gebbeine im BBett.« Er buchstabierte es.
    »Ist das ein Gedicht?«
    »Ein Gedicht und ein Buch.«
    Sie nippte an dem Kaffee. »Ich würd's gerne mal lesen«, sagte sie. Sie mochte, wie er angezogen war, wie ein Geschäftsmann. Die kleine Tasse in ihrer Hand, die Klarheit ihrer Stimme, das Weiß ihres Kleides - sie war der Mittelpunkt, ihre Bewegungen, ihr Lächeln. Unter ihrem Glanz haben Frauen eine Macht, so wie Sterne Schwerkraft haben. Auf dem Boden ihrer Tasse lag der warme, dicke Satz.
    »Noch Kaffee?« fragte Jivan.
    »Bitte.«
    Er goß die schwarze Flüssigkeit ein, wie er es schon so oft getan hatte, türkischer Mokka, sämig, kein Geräusch war beim Einschenken zu hören. »Weißt du«, sagte er, »während meiner ganzen Zeit in Amerika - und ich seh das wie einen einzigen langen Tag - hab ich mich nie an den Kaffee hier gewöhnt. Und Freunde. Ich hab nur sehr wenige Freunde gefunden.«
    »Du hast doch

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