Lichtjahre
Arbeit zusammen-suchte, laufend zog er sie über das steinige Gelände. Der Boden war mit Ziegeln übersät; sie stolperte und fiel. Der Absatz eines Schuhs war abgebrochen.
»Macht nichts«, sagte sie. Sie hielt das zerbrochene Stück in der Hand.
Er lief weiter, streckte seine Hand nach ihr aus. Sie humpelte hinter ihm her. Er zog sie in einen Hauseingang voller Glasscherben; die Türrahmen waren leer, eine zerschlissene Matratze lag auf dem Boden, daneben Flaschen. Hinkend stieg sie die Treppe hinauf.
Er wohnte in einem riesigen Raum, einer Lagerhalle mit schmutzigen Fenstern, der Holzboden war rissig. Jemand anders war schon da und stand vor dem Ofen. Sie sah sich um. Im hinteren Teil des Raumes, wohin das Licht nicht dringen konnte, sah sie im Dunkeln teilweise zusammengefügte Gebilde. Es war wie in einer Werft; auf dem Boden lagen Hämmer, Holzspäne. Das Bett stand auf vier Säulen, hoch oben, nahe dem Lilienmuster, das in die Metalldecke eingestanzt war. Zeichnungen waren an die Wand geheftet, Ankündigungen, Fotos.
Sie stand schweigend da, während sich die beiden über die Arbeit unterhielten, Regale, die in einer Galerie auf der Sechzigsten Straße gebaut werden mußten. Sie sollten eine ganze Wand entlanglaufen, weiß gestrichen werden. Sie sah keinen der beiden an, sie wärmten sich die Hände. Sie hatte Angst aufzuschauen, das Blut pochte in ihren Armen, den Knien, sie wagte nicht, in sein Gesicht zu sehen. Er reichte ihr eine Tasse von etwas Dunkelfarbigem, Duftendem. Sie nippte daran. Tee. Seine Hose war ein verblichenes Blau, seine Schuhe hatten genoppte Sohlen.
»Willst du Zucker?« fragte er.
Sie schüttelte den Kopf.Er hatte sie nicht vorgestellt, aber er stand dicht neben ihr, als er redete, als wollte er sie einschließen. Seine Glieder verströmten ihre Autorität. Sie versuchte, nicht an sie zu denken. Sie war schwach wie von einer Krankheit. Sie wußte nicht, was ihr Gesicht tat, ihr Körper; sie war zu verwirrt, um sich an sie zu erinnern. Sie würden die Holzkanten glattschleifen, sagten sie, aber die Flächen rauh lassen. Die Wände waren verputzt; sie konnten keine normalen Nägel verwenden. Sie hörte ihnen zu und verstand nichts, wie ein Kind, das Erwachsenen zuhört, sie wußte, daß sie klüger waren, mächtiger als sie.
Schließlich ging der andere Mann. Sie war nicht nervös, sie hatte keine Angst, sie konnte nur nicht mehr sprechen.
»Laß uns ins Bett gehen«, sagte er. Er nahm ihr die Tasse aus der Hand und half ihr hinaufzuklettern. Es war ein Männerbett, ungemacht, die Decke dreckig, die Laken mit grauen Streifen. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Sie kniete und wartete. Sie dachte an die Pfahlbauten in Thailand, auf den Philippinen. Die Decke war dicht über ihrem Kopf. Er kniete neben ihr und streichelte ihr Haar. Sie zitterte unter seinen Küssen. In ihr gab es keine zweite Stimme, die fragte, was passieren, was er als nächstes tun würde; sie wollte es ganz und gar, wie getrieben. Sie nahm kaum wahr, was er tat. Als er ihr das Kleid über die erhobenen Arme streifte, fügten die sich machtlos. Der kaputte Schuh fiel zu Boden. Seine Hände fuhren sanft unter das Gummi ihres Schlüpfers, ihr Körper war dort gezeichnet, ein dünner roter Streifen um die Taille. Der wunderbare stumme Hügel, das Haar flachgepreßt, tritt zutage. Er berührt sie; es ist, als würde sie ermordet, sie kann sich nicht bewegen. Das einzige, woran sie noch denken kann, ist zu murmeln: »Ich hab nichts genommen.«
Er antwortete nicht. Sie schaffte es, das noch einmal zu sagen.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er.
Er war nackt, sein Körper verbrühte sie. Sie war hilflos, er schob ihre Knie auseinander.
Als es vorbei war, lag sie träumend neben ihm, zufrieden. Sie konnte die Falten im Laken unter sich spüren, konnte die alten Bettücher riechen. Sie war feucht, sie hatte Angst, sich anzufassen. Sein Körper war fest, die Muskeln ruhten darin. Der Geruch seiner Haare war wie Holzfeuer, er machte sie benommen.
Sie bewegte sich nicht. Ich hab es getan, dachte sie. Das Licht, das durchs Fenster drang, war winterlich. Die Luft hatte etwas Beißendes, wie von Kohle. Hoch oben hörte man schwach das Geräusch eines Düsenflugzeugs, das die Stadt überquerte, auf dem Weg nach Kanada, Frankreich.
Er sah ihr zu, als sie sich anzog. »Wo willst du hin?«
Sie konnte nicht weitermachen. Sie saß da, halbnackt, mit bloßen Armen, schweren, festen Brüsten. Sie war ruhig unter seinem Blick,
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