Lichtjahre
fast leblos. »Ich muß weg.«
»Hör zu, ich möchte eine Bestellung bei dir aufgeben.«
»Eine Bestellung?«
»Du lieferst doch, oder? Drei Liter Milch die Woche. Und
einen halben Liter Sahne.«
»Ich könnte am Mittwoch kommen«, sagte sie.
»Gut.«
Er hatte ihr Leben auf den Kopf gestellt. Sie wollte seine Hände küssen; sie wußte nicht, ob er sie gerne genug hatte, daß sie ihm ihre Gefühle zeigen konnte. Sie schämte sich, als sie sich die Kleider anzog. Sie schienen ihr kindisch, künstlich.
8
Ein Morgen im Sommer, die grünen Bäume wurden ineinander gedrückt, die Blätter seufzten im Wind, an der Tür stand Gepäck. Das Frühstück war hastig; sie hatten nicht die Ruhe dafür.
»Hast du deinen Paß, Viri? Hast du die Tickets?« Sie fuhren nach England, endlich.
Danny verabschiedete sich an der Tür und noch einmal am Auto, die Fenster waren heruntergekurbelt. Hadji war unglücklich. Sie hielt ihn in den Armen.
»Mein Gott ist der schwer!«
Seine Augen waren vom Alter trübe geworden.
»Schreib uns ins Hotel«, erinnerte sie Nedra.
»Ja, mach ich. «
»Komm, Viri, wir werden das Flugzeug noch verpassen«, rief sie.
Der Morgen, licht, unberührt, lag vor ihnen wie das Meer. Sie schössen in ihn hinein, Franca kam mit, um das Auto zurückzufahren. Sie war neunzehn. Sie wollte nach Vermont.
»Wirklich schade, daß du nicht mitkommst«, sagte Nedra.
»Aber wahrscheinlich wäre es nicht halb so aufregend.«
»Ich wünschte, ich könnte beides machen.«
»Viri, ich kann es nicht glauben«, sagte Nedra.
»Daß wir wirklich fahren ...«
»Ja. Endlich.«
Er räusperte sich und suchte Francas Gesicht im Rückspiegel. »Das nächste Mal fahren wir zusammen«, sagte er. Das Auto kam von der Straße ab.
»Um Gottes willen!« rief Nedra.
»Entschuldige.«
Der Tag war wie ein Fluß, der von weit her kam. Gespeist von Strömen und Nebenflüssen, wurde er langsam breiter, schneller, bis er schließlich in ein Stromgebiet mündete, wo der Lärm und die Unruhe der Menge wie Nebel aufstiegen. Die Motoren liefen; die große Kabine bewegte sich leicht schaukelnd zum Ende der Landebahn. Nedra, die sich bereits überzeugt hatte, daß vom Fenster aus nichts Interessantes zu sehen war, schnickte die Seiten der Vogue um, während Viri eine Karte studierte, auf der die Notausgänge des Flugzeugs aufgezeichnet waren. Es war, als hätten sie diesen Flug schon ein dutzendmal gemacht. Sie warteten eine Weile in einer schimmernden Reihe von Flugzeugen, dann starteten sie mit einem Donnern, das sie hinter sich herzogen und das selbst im Innern des Flugzeugs gewaltig war und die Sitze durchrüttelte.
Nedra wollte Champagner. »Willst du auch welchen?« sagte sie zu ihrem Mann.
»Natürlich.«
Sie verbrachten sechs Tage in London und zwei in Kent, in einem schönen Haus mit Gärten, die sich bis zum Meer hinunterzogen. Es gab einen kiesbedeckten Vorplatz und ein schmiedeeisernes Tor. Das Haus war ein Backsteinbau, cremefarben und weiß gestrichen. Es gehörte Thomas Alba, einem Freund der Troys. Er hatte ein ausdrucksstarkes Gesicht, großflächig, kultiviert, vertraueneinflößend. Er sprach mit langsamer, klarer Stimme. »Wir führen, wie ich gestehen muß, ein ruhiges Leben«, sagte er.
Das Haus war voller Gemälde und Drucke. Vor den Fenstern des Arbeitszimmers standen Regale mit einer Sammlung von Teetassen. Der Ausblick war von jedem Zimmer aus hinreißend, Blicke auf fernes, gepflegtes Land, auf die englische See. Aber das Beste von allem war seine Frau; sie war ein wirklicher Schatz. Sie hatte in Bordeaux gelebt. Sie war schon einmal verheiratet gewesen - die Besten waren das alle schon mal, sagte Nedra.
»Bekommst du keine Sehnsucht, wenn so viel über London gesprochen wird?« fragte Claire.
»Nein«, sagte Alba ruhig.
»Wir sind schon seit einem Monat nicht mehr in London gewesen.«
»Ist das schon einen Monat her?«
»Mindestens einen Monat. Tommy haßt London«, sagte sie.
»Na ja, ich denke, früher hab ich es schon gemocht. Jetzt zieh ich das hier vor.«
»Aber seine Lichter bei Nacht! Seine Goldschmiede, Graveure, Spielzeugläden, Eisenwarenhändler, der Kirchhof von St. Paul, Charing Cross, der Strand!«
»Du wirfst alles durcheinander.«
»Aber so ähnlich geht's doch«, sagte sie. Sie hatte ein wunderbares Gesicht.
Sie saßen beim Dinner, die Art von Essen, die Nedra selbst gerne gab, nichts Ausgefallenes, aber eines, das sich über Stunden hinzog. Die Fenster zum Garten waren
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