Lichtlos 1 (German Edition)
die Pistole von meinem Schoß nehme.
»In drei Jahren hat es keinen weiteren gegeben, dessen Äußeres derartigen Anstoß erregt hat « , teilt mir Ardys mit. »Bis vor kurzer Zeit. Angehörige unserer Familie haben begonnen, ihrem Neid auf die zunehmende Schönheit meiner Tochter Ausdruck zu verleihen, sowohl ihr als auch mir gegenüber. Damit meine ich natürlich, dass dieser Neid von einem anderen ausgedrückt wurde, für den zu sprechen sie gezwungen sind .«
Ich habe hundert Fragen, doch ehe ich eine davon stellen kann, steht Ardys von ihrem Stuhl auf und fordert mich auf, mit ihr zu kommen.
Sie öffnet die Haustür und führt mich hinein.
Einen Moment lang blicke ich wachsam auf die düstere Veranda und die noch tiefere Dunkelheit jenseits von ihr zurück. Als ich die Tür schließe, lege ich den Riegel vor, denn es scheint, als könnte sich die Nacht selbst wie eine rohe Bestie erheben und dicht hinter uns in gebeugter Haltung über die Schwelle schleichen.
Ich folge Ardys durch die Diele zu der makellosen Küche.
Meiner Erfahrung nach ist alles in Harmony Corner fleckenlos rein. Harte Arbeit muss eine entscheidende Rolle spielen, um ihre Gemüter von der fortwährenden morbiden Betrachtung ihrer verzweifelten Lage zu erlösen. Intensive Konzentration auf das, worauf sie Einfluss nehmen können – wie die Reinlichkeit ihrer Häuser und Unternehmen – , muss eine der wenigen Möglichkeiten sein, die ihnen zu Gebote stehen, um die Glutasche der Hoffnung am Glimmen zu erhalten.
Im Küchenlicht entdecke ich, dass Ardys Harmony sehr hübsch ist. Sie ist vielleicht Ende dreißig, hat einen Teint so klar wie Licht, und ihre Augen haben die Farbe von Crème de Menthe, ein dunkleres Grün, als ich es bei Augen für möglich gehalten hätte. Ihre ansonsten perfekte Haut ist von Krähenfüßen gezeichnet, doch diese winzigen Fältchen scheinen mir kein Zeichen für das Altern zu sein, sondern für die Courage und die stählerne Willenskraft, mit der sie jeden Tag im Winkel meistert, denn selbst jetzt sind ihre Augen zusammengekniffen, und ihr straffer Mund drückt Entschlossenheit aus.
Sie zieht mich ans Spülbecken, über dem ein Fenster einen Ausblick auf das größere Haus auf dem Hügel hinter diesem Haus hier einrahmt. Wie schon vor einer Weile erhellt der Schein von Lampen einige der Fenster im ersten Stockwerk dieser imposanten Villa.
»Die Eltern meines Mannes haben dieses Anwesen 1955 bei einer Zwangsversteigerung erworben. Es war baufällig. Sie haben das Unternehmen wiederbelebt, Misserfolg in Erfolg umgekehrt und zusätzliche Häuser gebaut, als ihre Kinder geheiratet haben und die Familie Zuwachs bekam. Bis zu ihrem Tod – beide sind vor neun Jahren gestorben – haben sie in dem Haus auf dem Hügel gelebt. Bill und ich haben vier Jahre dort oben gelebt – bis sich alles geändert hat. Wir leben jetzt seit fünf Jahren hier unten .«
Ohne mir ausdrücklich zu sagen, dass ihrer aller Kontrolleur und Folterknecht in dem höchstgelegenen der sieben Häuser gefunden werden kann, ohne einen Namen zu erwähnen oder mir eine Beschreibung zu geben, ohne ihre Bitte in Worte zu fassen, die unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnten, teilt sie mir dennoch durch ihre Augen und durch ihren Gesichtsausdruck mit, was sie sich von mir erhofft. Da ich immun gegen die Kräfte der Erscheinung bin, werde ich es vielleicht schaffen, unentdeckt in seine Höhle zu gelangen und ihren Folterknecht zu töten. Ich verstehe so klar und deutlich, was sie von mir will, als könnte ich Gedanken lesen.
Wenn die Erscheinung allein ist und die Harmonys viele sind, und wenn sie zu jeder Zeit nur eine einzige Person beherrschen kann – worauf die Geschichte von Donnys Schnittwunde und davon, wie Denise seine Wunde zugenäht hat, hinzuweisen scheint – , dann hätten sie doch gewiss im Laufe von fünf Jahren irgendwann eine Möglichkeit gefunden, ihren Feind zu überwältigen. Ich habe jedoch nicht genügend Informationen, um ihre lange Versklavung zu verstehen oder mir meine Erfolgschancen bei der Aufgabe auszurechnen, von der sie hofft, dass ich sie übernehmen werde.
Die Notwendigkeit, indirekt und zurückhaltend über diese Dinge zu sprechen, erschwert mir das Zusammentragen von Informationen. Ich frage: »Ist das, was ich suche, ein Mann oder etwas anderes ?«
Sie wendet sich vom Fenster ab. »Die Richtung, die dieses Gespräch einschlägt, ist nicht ratsam .«
Ich beharre: »Ein Mann ?«
»Ja und nein
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