Lichtlos 2 (German Edition)
sehen kann. Ich habe meine kleine Taschenlampe und kann den Raum erkunden, wenn ich will. Und sehen wir den Tatsachen doch mal ins Gesicht: Hier unten gibt es ohnehin nichts anderes zu tun, außer durchzudrehen, und das darf ich wegen meiner Mom nicht. Und überhaupt, Verrücktsein ist nichts für mich.
Ich kehre zu Ork zurück, um eine Decke zu holen, die ich eng zusammenrolle. Als ich die Tür wieder erreiche, lege ich die zusammengerollte Decke so auf die Schwelle, dass sich die Türen hinter mir nicht schließen können und ich von da, wohin ich gehe, wieder zurückgehen kann.
In dem Moment geht weit draußen in der Dunkelheit ein gelbes Licht an. Ich warte, aber es kommt nicht näher. Es ist eine Lampe, die irgendwo befestigt ist, und vielleicht hat jemand sie angeschaltet, um mich wissen zu lassen, wohin ich gehen muss und so, weil sie wissen, dass ich keinen Schimmer habe, womit ich mich selbst nicht schlechtmachen will. Es ist in diesem speziellen Fall einfach nur die Wahrheit.
Als ich die Schwelle überschreite, ist der Fußboden an diesem neuen Ort wie Hartgummi, man prallt fast davon ab. Als ich, einfach nur, um zu sehen, ob wir nicht vielleicht doch miteinander ins Gespräch kommen können, noch einmal meinen Namen sage, klingt meine Stimme so, als hätte ich einen Flanellsack über meinen Kopf gestülpt und spräche vom Grunde eines ausgetrockneten steinernen Brunnens, obwohl ich nicht weiß, wie ich jemals in eine solche Situation geraten könnte, es sei denn, ein durchgedrehter Serienmörder versteckt mich aus einem unsäglichen Grund da unten.
Außerdem lässt, wenn ich rede, blaues Licht die Wände pulsieren, sodass ich sehen kann, dass der Raum auf einer Seite vielleicht zwölf Meter misst. Diese pulsierenden blauen Wände sind mit Hunderten von Zapfen bedeckt, ungefähr so wie die, die ich einmal in einer Fernsehserie gesehen habe, wo dieser Typ Moderator war und bei einem Rundfunksender oder so in einer schalldichten Kabine gearbeitet hat. Es ist, als saugten die großen Zapfen meine Stimme auf, aber gleichzeitig verwandeln sie ihren Klang in blaues Licht, was in der Fernsehsendung nicht passiert ist. Je schneller und je mehr ich rede, desto heller wird das Licht, und es pulsiert gewissermaßen im Takt mit meinen Worten.
Das ist ein sonderbarer Raum, wenn ihr meine Meinung hören wollt, aber er kommt mir nicht vor wie ein gefährlicher Ort. Auf seine Weise ist er sogar friedlich, obwohl du dich halb taub fühlst und deine Haut so blau ist wie die irren Typen auf dem Planeten in dem Film Avatar – Aufbruch nach Pandora . Ich meine, es ist kein Raum von der Sorte, wo man glaubt, man wird nackte Tote finden, die an Ketten von der Decke hängen. Jedenfalls gibt es hier reichlich blaues Licht, solange ich rede, also fange ich an, ein paar Gedichte von Shel Silverstein aufzusagen, die ich auswendig gelernt habe, und ich reime mich den ganzen Weg durch den Raum zu einer großen, runden Öffnung, durch die man einen Sattelschlepper fahren könnte, wenn man Auto fahren kann, was auf mich nicht zutrifft. Durch die Öffnung kann ich auf das gelbe Licht sehen, das mich überhaupt erst hier reingelockt hat, falls ihr euch erinnert, und es ist immer noch so weit weg wie im ersten Moment, als müsste es sich so schnell von mir entfernen, wie ich darauf zugehe.
Als ich versuche, durch diese große runde Tür zu gehen, erweist sie sich eher als ein Fenster, aber nicht aus Glas. Es ist kalt und klar und irgendwie gummiartig, und als ich zurückzuweichen versuche, kann ich es nicht. Ich hänge nicht direkt in dem Zeug fest, aber es hält mich zurück, und dann scheint es sich um mich herum zusammenzufalten, und ich raste, wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt, fast aus. Es ist, als wollte mich das Zeug in einen durchsichtigen Kokon sperren und mich ersticken. Aber dann erweist es sich doch als eine Tür, und nachdem es sich um mich herum gefaltet hat, faltet das Zeug sich wieder auseinander, und ich bin auf der anderen Seite. Ja, ich weiß, das erklärt nicht wirklich, was für ein Gefühl es ist. Vielleicht ist es eher so, als sei das durchsichtige Zeug, das den Eingang ausfüllt, eine gigantische Amöbe, die dich aus einem Raum raussaugt und dich in den nächsten spuckt, nur ist es das eben auch nicht.
Jedenfalls sind im nächsten Raum sechs Tote, die alle in diesen unförmigen weißen Schutzanzügen stecken, wie man sie in den Fernsehnachrichten sieht, wenn es zu einem Unfall mit toxischen Chemikalien
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