Lichtlos 2 (German Edition)
rausziehe, ihm den Lauf in die Eingeweide steche und in meiner besten Imitation eines knallharten Kerls knurre: »Du brauchst hier nicht zu sterben, es liegt ganz bei dir « , doch in meinen eigenen Ohren klingt es wie Mickymaus.
Zum Glück ist er kein gewiefter Menschenkenner und fällt auf schlechte Schauspielkunst herein. Seine Augen werden groß und verlieren jede Lebhaftigkeit, als hätte man ein Glas 7 UP einen Tag lang der Luft ausgesetzt. Seine Grübchen sehen nicht mehr so fröhlich aus, sondern wirken wie hervortretende Narben. Sein Mund, der einst wie ein Bogen war, scheint die Spannung zu verlieren, und seine Lippen beben, als er sagt: »Ich habe Familie .«
Bevor weiterer Verkehr kommt, muss ich das hinter mich bringen. Wir erheben uns vorsichtig, während ich weiterhin die Waffe an seine Eingeweide presse.
»Wenn Sie Ihre Kinder wiedersehen wollen « , warne ich ihn, »dann kommen Sie jetzt ganz ruhig zur Fahrertür mit .«
Er begleitet mich, ohne Widerstand zu leisten, und hebt die Hände hoch, bis ich ihm befehle, sie sinken zu lassen und sich ganz natürlich zu benehmen, aber er ist nicht ruhig, sondern sprudelt hervor: »Ich habe keine Kinder, ich wünschte, ich hätte welche, ich liebe Kinder, aber es sollte eben nicht sein .«
»Aber Ihre Frau wollen Sie wiedersehen, also bleiben Sie ganz ruhig .«
»Veronica ist vor fünf Jahren gestorben .«
»Wer ?«
»Meine Frau. An Krebs. Sie fehlt mir sehr .«
Ich stehle den Lastwagen eines kinderlosen Witwers!
Als wir die Fahrertür erreichen, erinnere ich ihn daran, dass er gesagt hat, er hätte Familie.
»Meine Mom und mein Dad leben bei mir und meine Schwester Berniece auch, sie hat nie geheiratet, und mein Neffe Timmy, er ist elf, seine Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben. Wenn Sie mich erschießen, wäre es grässlich, ich bin der Einzige, der sie ernährt, tun Sie ihnen das bitte nicht an .«
Ich stehle den Lastwagen eines kinderlosen Witwers, der sich hingebungsvoll um seine alternden Eltern kümmert, seine Schwester unterstützt, die eine alte Jungfer ist, und Waisenkinder aufnimmt.
Während ich in der offenen Tür stehe, erkundige ich mich: »Sind Sie versichert ?«
»Ich habe eine gute Lebensversicherung. Wie ich jetzt sehe, ist sie nicht hoch genug .«
»Ich meinte eine Versicherung für den Lastwagen .«
»Ja, klar, der Brummi ist gedeckt .«
»Betreiben Sie ihn in eigener Regie ?«
»Früher mal. Jetzt fahre ich wegen der Zusatzleistungen für eine Firma .«
»Das ist schön zu wissen, Sir. Außer, man feuert Sie .«
»Das wird nicht passieren. Die Firmenpolitik lautet, den Laster herzugeben, wenn man überfallen wird, sich nicht zu wehren, denn das Leben steht an erster Stelle .«
»Das klingt nach einem guten Arbeitgeber .«
»Es sind nette Leute .«
»Sind Sie schon mal überfallen worden, Sir ?«
»Für mich ist es das erste Mal – und ich hoffe, auch das letzte Mal .«
»Ich hoffe, für mich ist es auch das letzte Mal .«
Eine geballte Ladung Pkws und Lkws rasen oben auf dem Hügel der Küstenstraße an uns vorbei, was bewirkt, dass der Sog der Strudel, die über die Böschung herunterkommen, die hohen blassgoldenen Gräser flattern lässt wie das Haar einer wild tanzenden Frau. Kein Fahrzeug erscheint oben auf der Abfahrt.
»Autoräuber arbeiten im Team « , sagt mein Opfer. »Sie haben mich gewissermaßen dadurch entwaffnet, dass Sie allein waren .«
»Ich entschuldige mich für das Täuschungsmanöver, Sir. Sie werden jetzt zwei Meilen weit nach Norden laufen. Wenn Sie ein Fahrzeug anhalten sollten, töte ich Sie und die anderen .«
In meinen eigenen Ohren klinge ich etwa so gefährlich wie Pu der Bär, aber er scheint mich ernst zu nehmen. »In Ordnung, wie Sie wünschen .«
»Es tut mir leid, Sir .«
Er zuckt die Achseln. »So was kommt eben vor, Sohn. Sie werden schon Ihre Gründe haben .«
»Noch etwas. Was haben Sie geladen ?«
»Truthähne .«
»Es sind keine Menschen in dem Anhänger ?«
Er runzelt die Stirn. »Weshalb sollten da Menschen drin sein ?«
»Ich muss es nur wissen .«
»Dieser Brummi ist ein Kühllaster « , sagt er und deutet auf das Kühlaggregat vor dem Anhänger. »Gefrorene Truthähne .«
»Das heißt, wenn da Menschen drin wären, wären sie bereits erfroren .«
»Genau das sage ich .«
»Okay. Laufen Sie jetzt nach Norden .«
»Sie werden mir nicht in den Rücken schießen ?«
»Der Typ bin ich nicht, Sir .«
»Ich wollte Sie nicht beleidigen,
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