Lichtraum: Roman (German Edition)
für Forschung und Entwicklung, der er zugeteilt war, experimentierten ständig mit ihrer eigenen neuronalen Hardware, um zu sehen, was dabei herauskam.«
»Du musst doch einen Grund haben, warum du mir das alles jetzt erzählst, nachdem du so lange geschwiegen hast.«
»Früher oder später wäre es ohnehin herausgekommen, und mir ist es lieber, du hörst es von mir. Nur wenn wir alle zu Kompromissen bereit sind, gibt es überhaupt noch Hoffnung, dieses Schlamassel zu überleben.«
»Von welcher Art Kompromisse sprichst du?«
»Ich brauche dich, weil ich möchte, dass du mit Whitecloud zusammenarbeitest.«
Entgeistert starrte sie ihn an. »Das soll wohl ein Witz sein, oder?«
»Wenn er dicht vor einem echten Durchbruch steht, musst du ihn notgedrungen unterstützen. Vielleicht erleichtert es dir die Situation ein bisschen, wenn ich dir jetzt erzähle, dass ich mit ihm über die Geschichte in Port Gabriel gesprochen habe. Er leugnet seine Mitschuld gar nicht, womit ich nicht andeuten will, dass ihn das entlastet. Aber ich glaube allmählich, dass er es aufrichtig bereut.«
Ein Gefühl der Übelkeit, ein Brennen, machte sich in ihrer Magengrube breit. »Na, dann ist ja alles in Ordnung«, schnappte sie. »Kein Problem. Die Vergangenheit soll man ruhen lassen, richtig?«
Corso wurde wütend. »So habe ich das nicht gemeint.«
Einen Moment lang starrte sie an seiner Schulter vorbei und dachte nach. »Lass uns dieses Thema vorläufig beenden, denn mir fällt da etwas völlig anderes auf. Falls er wirklich der Kontrolle des Händlers unterliegt, wieso hat er dir dann erzählt, dass ihm ein Durchbruch geglückt ist? Würde das den Interessen des Händlers nicht zuwiderlaufen?«
»Deine Aktionen hat der Händler doch auch nicht während jeder Sekunde gesteuert, oder?«
»Nein, da hast du Recht«, gab sie zu.
»Ich denke, zumindest gelegentlich ist Whitecloud sein eigner Herr.« Mit dem Kinn deutete er auf den behelfsmäßig zusammengeschusterten Interface-Sessel. »All das verrät uns, dass der Händler etwas im Schilde führt. Und was immer es sein mag, es dürfte uns kaum zum Vorteil gereichen.«
Kapitel Zweiunddreißig
Der nächste Sprung – mit einer Kapazität von nur fünfzig Prozent – trug die Mjollnir mehrere Hundert Lichtjahre weiter über die Kluft, die die Spiralarme voneinander trennte. Der Perseusarm wuchs und füllte einen größeren Teil des Himmels aus. Die ganze Zeit über arbeitete die Mannschaft fieberhaft daran, die Leistung der Fregatte über einem kritischen Niveau zu halten.
Wenn Ty schlief, träumte er immer häufiger, und die Träume wurden immer sonderbarer, nahmen gelegentlich fast den Charakter von Visionen an. Einmal träumte er, der Mos Hadroch, der nach wie vor in seinem Gerüst steckte, würde einen gewaltigen Sturm erzeugen, und das Artefakt erteilte ihm Befehle mit einer Stimme, die sich in Form von Donner und Wind ausdrückte.
Die Prognosen für Nancy sahen alles andere als gut aus; die Strahlung hatte in ihren Körperzellen tiefgehende und irreversible Schäden bewirkt. Er träumte auch von Nancy, wie sie in ihrem Raumanzug von ihm wegdriftete, bis sie sich in der Leere des interstellaren Raums verlor. Ein paarmal besuchte er sie in der Krankenstation und betrachtete sie durch den transparenten Deckel ihrer Med-Box; er wünschte sich, seine Sehnsucht nach ihr könnte irgendwie einen Genesungsprozess bei ihr einleiten.
Er studierte seine privaten Aufzeichnungen von den Tests, die er mit dem Artefakt durchgeführt hatte, und entdeckte darin unerklärliche Lücken. Dabei war er von Natur aus ein Pedant, der akribisch alles schriftlich festhielt; er ging sogar so weit, selbst seine eigenen Beobachtungen und Gedanken über die von ihm unternommenen Experimente mit Datum
und Uhrzeit zu versehen. Und je tiefer er nachforschte, desto mehr Perioden entdeckte er, in denen die Logs und sein Erinnerungsvermögen eindeutig voneinander abwichen. An manchen Tagen fand er keine Einträge über gewisse Experimente, obwohl er hätte schwören können, dass er sie exakt zu diesen Zeiten durchgeführt hatte. Doch je intensiver er versuchte, sich an die spezifischen Einzelheiten dieser Vorgänge zu entsinnen, umso mehr ließ ihn sein Gedächtnis im Stich.
Ty spürte ein kaltes, enges Gefühl in der Brust, als ihm auffiel, dass diese unverständlichen Ausfälle vor allem zu der Zeit statgefunden hatten, als Olivarri ermordet wurde.
Eine lange Zeit saß er da, die rechte Hand flach auf
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