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Lichtraum: Roman (German Edition)

Lichtraum: Roman (German Edition)

Titel: Lichtraum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Gibson
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Sphäre aus Salzwasser um ihn herum festhielten, lagen nun über den Boden der Kammer verstreut. Sein massiger Leib wirkte auf einmal viel kleiner, als er wehrlos auf dem staubigen Untergrund lag. Die Haut sah grau und rissig aus, und seine Tentakel zuckten schwach über den dunklen Boden.
    ›Dakota.‹
    Jesus und Buddha. Sie leben noch?
    ›Aber nicht mehr lange.‹
    Vor ihren Augen wurden seine Bewegungen matter. Sie kniete neben ihm nieder und berührte seine Seite. Sein Fleisch fühlte sich rau und spröde an.
    ›Der Mos Hadroch wusste alles über mich. Geheimnisse, die so lange zurückliegen, dass ich sie schon vergessen hatte. Aber er weigert sich zu funktionieren.‹
    Darf ich es versuchen, Händler?
    Sein rundlicher Körper erschauerte noch einmal und erstarrte.
    Einige Sekunden lang kniete sie noch an seiner Seite und fragte sich, warum sie überhaupt nichts empfand, nicht einmal Genugtuung oder Triumph. Stattdessen spürte sie nur eine innere Leere, als hätte sie eine große Enttäuschung erlebt.
    Schließlich stand sie auf und ging an der leblosen Gestalt des Händlers vorbei zur Antriebsschmiede.
    Seit sie die Kammer betreten hatte, konnte sie das Artefakt hören, ein hohes Jaulen wie von tausend übersteuerten Verstärkern, das in einem konstanten Pochen an- und abschwoll. Trotzdem nahm sie in dem Chaos eine Ordnung wahr, die auf etwas Gigantisches, Leidenschaftsloses und ungeheuer Mächtiges hindeutete.
    Kurz vor der Schmiede blieb sie taumelnd stehen und beobachtete, wie das Artefakt sich öffnete; diesen Vorgang, der aussah, als würde sich eine Blume entfalten, kannte sie bereits von Whiteclouds Videoaufzeichnungen. Das Geräusch füllte ihren Kopf aus, bis sie keinen einzigen zusammenhängenden Gedanken mehr bilden konnte; beinahe wie eine physische Kraft hämmerte sich der Heulton in ihr Gehirn.
    Und gerade als sie glaubte, das Schlimmste sei überstanden, merkte sie, dass die Intelligenz, die sie wahrgenommen hatte, sich voll und ganz auf sie konzentrierte.
    Sie stand wieder auf einem von Schneestürmen gepeitschten Highway auf Redstone, umgeben von Leichen. Sie fand sich in einer Bar mit Namen »Der Launische Drache« wieder, wo sie gemeinsam mit Lin Liao auf dessen Schwester wartete. Sie spähte über die Dächer von Erkinning, in Gesellschaft von einem halben Dutzend anderer Studenten, mit denen sie gelebt, geliebt und gestritten hatte, und die sie nach dieser Nacht nie wiedersehen sollte.
    Sie wurde immer weiter in ihre Vergangenheit zurückgeholt, durchlebte Erinnerungen, von denen sie glaubte, sie seien für immer verlorengegangen. Doch in diesem Moment wirkten sie so real wie das tatsächliche Ereignis.
    Das letzte Bild zeigte den kurzen Blick auf eine winterliche Straße, und sie fühlte die Hand ihrer Mutter auf ihrem Kopf.
    Aber als sie dieses Mal hochschaute, sah sie ganz deutlich das Gesicht ihrer Mutter.
    Eine unbestimmte Zeit später kam Dakota wieder zu sich und merkte, dass sie ausgestreckt auf dem Boden der Kammer lag.
    Sie rappelte sich hoch und stolperte näher an die Antriebsschmiede heran. Der Mos Hadroch hatte sich noch weiter aufgelöst; wie ein multidimensionales Kaleidoskop dehnte er sich aus, umhüllte sie und drang so tief in ihren Körper ein, bis sie nicht mehr wusste, wo sie aufhörte und das Artefakt begann.
    Und in diesem Augenblick erkannte sie, welch hohen Preis sie würde zahlen müssen.
     
    »Wieder eine Drohne weg«, schrie Lamoureaux heiser. »Und weitere Scouts im Anmarsch!«
    Corso spähte nach oben auf das Überkopf-Display und sah, dass nur noch einer der drei Godkiller, die den Hort bewachten, im Orbit war, und allem Anschein nach rüstete er sich für einen unmittelbar bevorstehenden Sprung. Doch nun zeigte die
Darstellung, dass zahlreiche Scouts Kurs auf die Fregatte nahmen. Mehr, als sie vermutlich abwehren konnten.
    Lucas.
    »Dakota?«, rief Corso laut aus und berührte unwillkürlich den Kommunikationsknopf in seinem Ohr. Er ignorierte die Blicke, die die anderen ihm zuwarfen.
    Seid ihr bereit, aus dem System zu springen?
    »Nein, noch nicht. Es wird auch noch ein Weilchen dauern. Die Antriebsdorne sind schwer beschädigt, über drei viertel von ihnen funktionieren nicht mehr. Es sieht nicht gut aus.«
    Ihr kommt immer noch rechtzeitig weg, wenn ihr kurze, aber sukzessiv länger werdende Sprünge durchführt. Solange ihr vor der Schockwelle bleibt, könnt ihr nach und nach genügend Energie für einen Langstreckensprung aufbauen, vor allen

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