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Lichtschwester - 8

Lichtschwester - 8

Titel: Lichtschwester - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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feinsten, prächtigsten
Farben, in vielerlei Rot-, Blau- und Grüntönen schillernden Stein,
der nichts anderes als Opal sein konnte. Aber ein Opal groß und
schön genug, um das Lösegeld für einen gefangenen König - oder
der Preis für den Rang der Diebskönigin zu sein.
  Nelerissa kniete vor dem Altar nieder und musterte den Schatz,
um dessentwillen sie den weiten, gefahrvollen Weg auf sich ge-
nommen und viel gelitten hatte. Er war riesig und fabelhaft. Und
er war zum Greifen nahe. Er brächte ihr Rang und Wohlstand.
  Dann könnte sie sich als steinreiche und für alle Zeiten berühmte
Diebin zur Ruhe setzen. Was war das wert?
    Sosehr sie sich auch anstrengte: Sie sah hier ebensowenig etwas
von gewöhnlichen Sicherungen und Fallen wie zuvor am Eingang
der kleinen Holzkirche. Aber es konnten hier ja auch andere Ge-
fahren lauern. Also versenkte sie sich, zum zweitenmal in zwei
Minuten, in jene Art der Trance, die man alle Nordbergler gelehrt
hatte.
    Nelerissa besaß zudem die bei den Berglern seltene Gabe, in den
tiefsten Trancestufen alle Zauber zu sehen. Man hatte sie deshalb
zu einem Schamanen in die Lehre gegeben. Leider hatte sie bis
zum Überfall der Reichstruppen kaum mehr als einige Tricks zur
Lösung von Zaubern gelernt. Nur mit Glück war sie am Leben
geblieben und entkommen, aber ihr Talent, Zauber zu lösen und
zu löschen, hatte ihr danach geholfen, eine der besten Diebinnen
in der Geschichte Arehernas zu werden.
    Die Diebin wußte, daß der Opal nicht von den Göttern stammte.
  Die besten Opale kamen von den Hängen der erloschenen Vulkane
auf der anderen Seite der Westberge; die kaiserliche Armee, die als
erste bis zu deren Ostrand vorgestoßen war, hatte sogar Men-
schenknochen gefunden, die nicht etwa, wie sonst, zu schlichtem,
grauem Stein, sondern zu so schimmerndem, farbenprächtigem
Opal geworden waren. Diese Truppe hatte auch den Ursprung des Julukela entdeckt: eine Unzahl übelriechender heißer Quellen hoch in den Bergen. Und von seinen Wassern war dieser Opalschädel, im Laufe von Jahrhunderten vielleicht, langsam zu Tal gespült worden, bis er endlich am Ufer bei Grathred gestrandet war, wo die Dörfler ihn nun auch gefunden hatten. Sicher, er war großartig, ehrfurchtgebietend - aber ganz irdischer Natur und Herkunft.
    Irdisch, aber wohl nicht frei von Zaubern! Bestimmt hatte ihn der Dorfpriester mit den stärksten seiner Magien gesichert. So hielt sie Ausschau nach Zaubern zur Gefahrenabwehr - seltsam gefärbtem Feuer, das den Opal in Brand hielte, ohne ihn zu verbrennen; nach dem Bindezauber, der ihn unverrückbar an den Altar feßle - einem feinen Netz aus schillernden Gespinsten; und nach jenem tödlichen Schutzschild aus pulsierenden blauen Strahlen. Aber sie fand nichts.
    Nun weitete sie aber aus Vorsicht den Kegel ihrer Konzentration, bis er auch das Türchen hinter dem Altar und das Kirchenschiff umfaßte. Sie fand wieder nichts, entdeckte jedoch, als sie auch den Haupteingang einbezog, daß sie nicht länger allein war: Im Portal leuchtete, in farbenprächtige Zauberschleier gehüllt, die rote Flamme einer anderen Menschenseele. Einer Menschenseele, die ihr wohlbekannt war.
    Da unterbrach sie ihre Trance und erhob sich leise, wie nur eine erfahrene Diebin oder Kriegerin das vermag, so in die Hocke, daß sie den Kircheneingang und den Neuankömmling vor sich hatte. Dann ertastete sie unter all den Klingen in ihrem Gurt ihr Wurfmesser, legte es auf das unter ihr gebreitete Cape und lockerte dann ihr Schwert und ihren Parierdolch, ließ aber alle beide noch stecken.
    Dabei behielt sie den im Auge, der längs der Wand, nicht im Gang zwischen den Bankreihen, langsam nach vorn und Schritt um Schritt weiter ins goldene Kerzenlicht kam. Die reich beringten Hände sah sie zuerst: Die Rechte hielt einen langen, schmalen Degen und die Linke eine Leder- oder Hanfschnur mit einem Amulett daran - also dem Zauberspürer für die, die Nelerissas Gabe nicht besaßen. Dann schob sich das Gesicht ins Licht: ein ihr schmerzlich vertrautes Antlitz, tiefer gefurcht als bei ihrem letzten Treffen, aber noch immer jugendlich für einen Mann von fünfunddreißig Jahren.
    So langsam und vorsichtig er auch einhergekommen war, nun be-
trat er den Altarraum - und erblickte den Opal. Da schwand der
Argwohn aus seinem Gesicht und machte ehrfürchtigem Staunen
Platz.
    »Da bist du ja!« rief Nelerissa, sprang auf und warf ihr Messer.
  Aber es prallte, einen Hauch vor seiner Brust, jäh ab und fiel

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