Lichtschwester - 8
zu
Boden. Das überraschte Nelerissa nicht. Degen trug immer so
einen magischen Schild. All seine wunderbar gearbeiteten, aber
etwas zu zahlreichen Fingerringe waren Talismane - zum Schutz
vor Zaubern. Und unter der Bluse trug er, wie sie gut wußte,
Amulette, die ihn gegen Schwerter, Speere und Pfeile feiten. Aber
seinen Spitznamen verdankte er seinem Geschick im Umgang mit
dem prächtigen Degen, den er auch jetzt bei sich führte. Er war ein
sehr guter Fechter. Aber nicht der beste; das wußte er auch - und
es wurmte ihn. Und er war kein Magier, konnte Zauber nicht um-
gehen oder beheben. Nur sie und der mächtige Magier, dessen
Dienste und Schweigen er sich kaufte, wußten, daß er seine unred-
lich erworbenen Reichtümer für vielerlei Mittel ausgab, die ihn
gegen irdische oder überirdische Anschläge auf sein Leben schüt-
zen sollten.
Er hatte seine Talismane und Amulette nicht einmal abgelegt, als
er sie, seine Diebsschülerin Nelerissa Grassamen, den Umgang
mit der Klinge gelehrt hatte!
Noch als ihr Messer auf die Fliesen klirrte, hob Degen die Klinge in
seiner Rechten en garde. Mit der Linken legte er sich zugleich
geschickt das Amuletthalsband um und zog darauf den Parier-
dolch.
Dann ging er stumm und mit zornrotem Gesicht auf die los, die
ihm ans Leben gewollt hatte.
»Verschwinde!« rief da Nelerissa. »Den Opal lasse ich dir nie und
nimmer!«
»Grassamen, du wolltest mich töten! Ist es schon so weit mit uns
gekommen?« fauchte er und drang auf sie ein.
Vor dem Altar kreuzten sie die Klingen. Da sah er im Licht der
Kerzen …
»Bei Resdren!« rief er und starrte sie mit großen Augen an. »Was
ist denn mit deinem Haar passiert?«
Aber Nelerissa attackierte, ihr Schwert zuckte nach seiner Kehle.
Er parierte, aus reinem Reflex.
»Dein Kopf ist ja ganz vernarbt!« Ja, der war, von den Brauen bis
hinter die Ohren, mit einer glasig weißen und so rohen rosa Masse
bedeckt. »Oh, Götter, Nel …«
Ihr Stoß war eine Finte; die Spitze ihrer Klinge senkte sich nach
seinem Unterleib. Er parierte jäh mit dem Degen, fing mit seinem
Dolch den ihren ab. Sie stieß damit nach seinem linken Handge-
lenk und stach zugleich mit ihrem Schwert nach seinem Herzen.
Aber ihr Dolch prallte von seinem Schutzschild ab wie von Stein -
und das Schwert schlug er ihr mit einer harten Drehung seines
Degens aus der Hand, daß es auf die Fliesen krachte.
Und Degen, mochte er über ihre Narben auch bekümmert sein,
nutzte seinen Vorteil: Er klemmte ihren Dolch zwischen Klinge
und Garde des seinen ein, stieß mit dem Degen nach ihrer bloßen
Kehle und schrie: »Nur einer von uns darf in die Stadt zurück!«
Aber seine Klinge stach ins Leere.
Denn Nelerissa hatte ihren blockierten Dolch losgelassen und war
blitzschnell beiseite gesprungen. Jetzt hob sie den Fuß und trat
hart zu - mit ihrem ersten Tritt traf sie seinen Degenarm und mit
ihrem zweiten sein Kinn. Und ehe seine Klinge zu Boden geklirrt
und das Krachen seiner Halswirbel verklungen war, hatte sie
schon wieder ihre Position gewechselt und die Arme kampfbereit
erhoben.
Degen fiel wie eine Marionette, der die Fäden durchtrennt wurden, in sich zusammen.
Die Kerle aus Areherna konnten mit Fäusten und Füßen zuschla-
gen; aber sie waren doch nur Schläger, wußten ihren Körper nicht
als Waffe einzusetzen. Nelerissas Leute waren Meister in dieser
Kunst gewesen. Aber das hatte ihnen gegen jene zehntausend kai-
serlichen Infanteristen und die Hundertschaft an Feldhexern
nichts genützt. So waren die meisten von ihnen erschlagen worden…
Einige waren entkommen, und einige waren in die Sklave-
rei verschleppt worden. Aber von den letzteren waren schon we-
nige Monate nach der Ankunft in der Stadt die meisten tot und die
übrigen entflohen. Da hatte man im Reich gesagt, diese Nordberg-
ler taugten nicht zu Sklaven, und an dem Glauben festgehalten, all
die Berichte über waffenlos kämpfende Bergbewohner seien
ebenso Legenden wie jene, wonach die Südler den Kopf in der
Hand hielten - oder gar keinen hätten und ihr Gesicht auf dem
Bauch spazierentrügen.
Kein Wunder, daß Degen es nie einer Überlegung für wert gehal-
ten hatte, auch nur einen Penny für die Abwehr unbewaffneter
Angriffe auszugeben, und immer gemeint hatte, in solchen Lagen
genüge ein schneller Degen!
Nun starrte er, flach auf dem Rücken liegend, zu Nelerissa empor.
Sein Kopf ruckte, Rumpf und Glieder aber waren starr. Blut trat
ihm auf die Lippen, als er da keuchte: »Du
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