Lichtschwester - 8
die weißen Wülste der typischen Narben berittener Kämpferinnen -Narben an Armen und Schenkeln - und die runzligen Vertiefungen der Pfeilwunden unübersehbar. Aber als sie sich nun kerzengerade aufrichtete, veränderte sich das Bild, ihr Körper war in all seiner Schlankheit wie eine schimmernde Schwertklinge. Hemd, Röcke, Weste lagen griffbereit auf dem Sessel. Aber statt danach zu greifen, zog sie aus dem Dunkel unterm Bett ein Bündel mit ihrer Ausrüstung hervor. Tara hatte alles vom Blut gereinigt, ehe sie es versteckt hatte. Die schwarze Bluse und die schwarzen Reithosen, die Shanna jetzt auspackte, rochen zwar etwas modrig, sahen aber wie neu aus: Die Stiefel glänzten wie gerade poliert, das vergoldete Kettenhemd glitzerte wie am ersten Tag … und die Nieten in dem Panzerhemd aus scharlachrotem Leder schimmerten wie frisch aus der Schmiede. Im Nu war Shanna gerüstet. Aber sie kam sich verwundbar vor, so ohne die Röcke und Schals, die ihren Leib monatelang verhüllt hatten, und das Panzerhemd war steif und gab nicht nach - was aber ja daran liegen mochte, daß sie schon lange nicht mehr so aufrecht dagestanden hatte … Sie holte tief Luft, sammelte sich, steckte den Dolch ihres Bruders in den Gürtel und zog ihr Schwert.
Die erste Figur fiel steif aus, die zweite schon weniger. Aber im Lauf der ersten Übungsfolge fand ihr Körper seine Ausgewogenheit wieder. Und am Ende der Trainingsstunde war er schon wieder eine Verlängerung ihrer Klinge.
Vor und zurück blitzte ihr Schwert … vorbei an einer hohen oder tiefen Deckung und herum in einem singenden Hieb, der den Gegner enthauptet. Sie fühlte die süße Harmonie der Muskeln und auch das Nachgeben des Holzbodens, hörte die Klinge die Luft zerschneiden und den Wind durchs offene Fenster säuseln, spürte ihr Sein und den dumpfen Herzschlag der Stadt dort draußen. Der Klang rasch näherkommender Schritte überraschte sie nicht … Sie führte gelassen die letzte Figur zu Ende und stand wie eine Statue der Belisama in der Arena, als die Tür aufflog und Tara auf die Schwelle trat.
»Shanna! Shanna, oh, nein…«, rief sie, hielt sich am Türrahmen fest und starrte die Kriegerin an.
»Tara«, erwiderte Shanna ruhig, »du siehst die, die ich bin …« »Oh, ja«, schluchzte Tara, »die Aberaisi werden sich freuen… dich so zweifelsfrei erkennen zu können!«
»Nun kommen sie also?« fragte Shanna. Aber das hatte sie bereits gewußt. Schon beim Aufwachen hatte sie gewußt, was dieser Tag ihr bringen würde.
Tara nickte. »Die Straße vom Marktplatz her! Lauf, Shanna … Ich halte sie mit irgendeiner Geschichte hin, um dir einen Vorsprung zu verschaffen …«
»Was dir nur gelingen wird … bis dir einer von ihnen die Bluse aufschlitzt«, fiel Shanna ihr ins Wort. »Oder hast du vergessen, daß Lady Amniset auch die Mondmütter haßt? Wir müssen jetzt beide fliehen, aber ich gehe als erste, und du nimmst einen anderen Weg als ich.«
»Wir treffen uns beim Brunnen am Tor der Weisheit«, keuchte Tara, die schon unter dem Kaminsims nach dem Beutel mit ihrer Barschaft tastete. »Wir teilen uns das Geld … für den Fall, daß eine von uns aufgehalten wird!«
»Nein, nimm du alles«, erwiderte Shanna und horchte zur Tür.
»Und warte nicht auf mich!« Da hörte sie drunten Stein unter Stiefeln knirschen und Metall klirren. Mit einem Satz war sie neben Tara, legte ihr die Hand über den Mund und flüsterte ihr zu:
»Geh zu den Mondmüttern zurück, und sei eine Heilerin … Du wirst erneut lieben, denn dazu bist du geschaffen. Ich werde zu leben versuchen, aber mir ist wohl das Alleinsein bestimmt.« Tara weinte stumm. Shanna nahm sich noch die Zeit, ihr die Tränen fortzuküssen. Aber da drang von der Straße dumpfes Stimmengewirr zu ihnen. Tara fuhr erschrocken zurück, und Shanna stieß, als sie der Balance wegen den Arm schwang, mit dem Schwertknauf gegen den Spiegel. Da lief ein Zickzackriß durchs Glas, und die zwei Frauen starrten für einen Moment ihre plötzlich getrennten Spiegelbilder an, bis dann das ganze Haus unter den schweren Schlägen gegen die Eingangstür erbebte und die beiden Spiegelhälften zu Boden fielen und in tausend Stücke zersprangen.
Drunten flog die Tür krachend auf. Shanna schob Tara schnell zum Bett und hoffte dabei, daß sie klug genug wäre, sich darunter zu verstecken. Schon hörte sie ihre Feinde den rechten Treppenbogen heraufpoltern. Einen Atemzug lang zwang sie sich noch abzuwarten, aber dann sprang sie
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